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Die Schönheit der Schädel

■ Spielerischer Umgang mit Düsterem statt Todessehnsucht / Veronika Schuhmacher in der Galerie für Gegenwartskunst

Todessymbole wie Schädel, Skelette und Blut dominieren die Ausstellung von Veronika Schuhmacher, der ehemaligen Meisterschülerin der Bremer Hochschule für Künste. Aber sie dementiert die naheliegende Vermutung: „Ich stecke viel weniger in der Depression als Viele vielleicht annehmen.“

Auf einer Tapete, mit der der gesamte zweite Raum der Galerie für Gegenwartskunst beklebt ist, säbelt ein Kreissägenblatt tief ins Fruchtfleisch einer Ananas, auch hier quillt rotes Blut hervor.

Die Ernsthaftigkeit des Themas wird jedoch stets gebrochen, ihr eine Leichtigkeit entgegengesetzt. Die Beschriftung der Bilder mit Zitaten aus Popsongs, Filmtiteln oder die comichafte Art der Zeichnungen aus Bleistift und Kuli mahnen den Betrachter in der Art barocker Vanitas-Symbole, sich nicht zu viele Ängste um das jedem bevorstehende Ende zu machen. Schuhmacher: „Ich bin mitten in der Düsternis und Depression der 80er Jahre aufgewachsen, was sich in den Werken wiederspiegelt. Doch sollte man sich auch mit einem Thema wie dem Tod nicht bitterernst auseinandersetzen.“

Neben dem Dualismus von Leben und Tod im Werk Schuhmachers tauchen immer wieder Selbstbildnisse der Künstlerin auf: Veronika vs. Veronika. Sie hat sich dupliziert im ersten Bild der Ausstellung „Lucy vs. Leila“. Der Boxkampf aus Bleistift und rotem Kuli zeigt „Veronika 1“, die einen passablen Haken schlägt, und die getroffene „Veronika 2“, der das Blut aus der Nase tropft. Der Kampf der beiden Boxertöchter Leila Ali und Jaqui Frazier als Fortführung des Generationenkampfes. Die Künstlerin nutzt das Medienereignis darüber hinaus zur Darstellung des ewigen (Künstler-)Kampfes gegen sich selbst und haut sich selbst eins auf die Fresse.

Hier geht es nicht nur ernst und schon gar nicht psychologisierend zu, auch spielerisch und mit leichter Ironie: Neben dem Bild liegt und hängt eine passable Sammlung an Schlagzeilen aus diversen Klatsch-Gazetten. „Hitler war schwul“ ist sich das Blatt mit den vier Buchstaben sicher, während es an anderer Stelle sehr schön heisst: „Berlinerin vor Wut geplatzt – tot!“

Die medialen Verweise stellen aktuellen Bezug her, reißerische Headlines zum Thema Terror inklusive. „Die Zeitungen entspannen die handwerkliche Präsenz der Bilder“, sagt dazu die Künstlerin. Denn wenn man sich im Zeitalter von Medienkunst nicht auf der Höhe der Zeit befinde, sich bewusst fürs Zeichnen entscheide, müsse man sich genau überlegen, wie man die passende räumliche Atmosphäre herstellt. Dennoch: „Mancher, der gerade ,Herr der Ringe' gesehen hat, wird die Sachen vielleicht weltfremd finden“.

In einem weiteren Bild sitzt der verwundete und auch verwunderte Herr Jesus ratlos im Vordergrund, im Rücken die strenge, kubistische Großstadt. Auf einer Münze in der Bildmitte ein Spruch wie das Motto jener konfusen Altersgruppen, die beliebig austauschbar Generation „X“, “Golf“, “§“ oder wie auch immer tituliert werden: „Don't follow me - I'm lost too“.

Doch gebe Konfusion niemand Außenstehendem das Recht zu entscheiden, was man ab jetzt nicht mehr tun dürfe, verweist die Künstlerin auf die aktuelle Diskussion um das Ende der Spaßgesellschaft seit dem 11. September.

Das Leben soll in erster Linie Spaß machen, Vergänglichkeit hin oder her. Roland Rödermund

„Leila vs. Lucy“ bis zum 10. Februar in der Galerie für Gegenwartskunst in der Bleicherstr. 55. Geöffnet Di. bis Fr. 14 bis 18 Uhr, Do. 14 - 20 Uhr, Sa. 12 - 14 Uhr.

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