Das große mag-Menü mit Taube und Essigeis

Im „Essigbrätlein“, mitten im historischen alten Kern der Nürnberger Altstadt, servieren Andree Köthe und Yves Ollech ihre „unnachahmliche Würzküche“ („Der Feinschmecker“): Intensive Aromen, kunstvoll kombiniert. Aus diesen Zutaten ist auch unser Menü zum Jahresende geschnitzt. Vier Gänge, die Ihre Rezeptoren hüpfen lassen: Rote Bete mit Kümmelkaramel, Kabeljau im Spinatfond, Taube mit Feigensalat und Schokolade-Olivensauce, Bananentarte mit Essigeis

von ANDREE KÖTHE, YVES OLLECH und MANFRED KRIENER

Wir brauchen für vier Personen: 12 kleine Rote Bete, 3 kleine rote Zwiebeln, 2 Knoblauchzehen, 3 Zweigchen Thymian, 3 Streifen Orangenschale (von unbehandelten Früchten, mit dem Sparschäler abziehen), ein halber Teelöffel gemahlener Kümmel, 1 Lorbeerblatt, 8 cl Apfelsaft, 8 cl Balsamico, 60 g Crème double, 1 Essl. Crème fraîche, 60 g Ziegenfrischkäse, 20 g Roquefort, 4 Essl. Milch, 5 Tropfen Chiliöl (leicht selbst herzustellen), 8 Essl. brauner Zucker, 3 Essl. Kümmel, 2 Hände frische Kräuter, weißer Balsamico (ersatzweise milder Weinessig), Olivenöl.

Rote Bete:

Die Messer sind gewetzt, die Zutaten liegen in Hab-Acht-Stellung, die Arbeitsplatten blitzen jungfräulich. Es geht los. Zuerst die roten Bete schälen, wenn’s sein muss auch mit Gummihandschuhen wegen der Farbe. Zwiebeln und Knoblauch kleinschneiden und in Olivenöl in einem Topf anschwitzen. Orangenschale, Thymian, Lorbeerblatt und den in der Kaffeemühle selbst gemahlenen halben Teelöffel Kümmel dazugeben. Rote Bete reinsetzen, mit Wasser auffüllen, dass die knolligen Kerle bedeckt sind. Das Ganze im Ofen bei 180 Grad eineinhalb Stunden garen.

Rote-Bete-Essenz:

Allen Mut zusammennehmen und zwei Esslöffel braunen Zucker karamelisieren, also in einer heißen Pfanne ohne Fett bei mittlerer Hitze schmelzen lassen. Es funktioniert! Sobald der Zucker flüssig ist, mit zwei Schnapsgläschen dunklem Balsamico ablöschen, gut verrühren und noch mal zwei Schnapsgläschen Balsamico zugeben, wieder rühren, schnuppern, lächeln, die Essenz soll leicht sirupartig einköcheln.

Käse-Creme:

Miniportion Roquefort mit vier Esslöffeln Milch leicht erhitzen, die Crème double wie Schlagsahne steif schlagen. Ziegenfrischkäse, Roquefortmilch und die Crème fraîche mit der Crème Double verrühren. Mit fünf Tropfen Chiliöl und Salz abschmecken. Chiliöl stellt man her, indem man ein Viertele Sonnenblumenöl mit zwei klein geschnittenen frischen Chilischoten aufkocht und 24 Stunden in einem zugeschraubten Marmeladenglas stehen lässt. Bringt Pfiff und hält sich lange im Kühlschrank. Für unseren Rote-Bete-Gang werden jetzt die von den Stilen gezupften und gehackten Kräuter mit etwas weißem Balsamico (oder sehr mildem Weißweinessig), Olivenöl, Salz und Pfeffer abgeschmeckt.

Kümmelkaramel:

Die restlichen sechs Esslöffel braunen Zucker karamelisieren, drei Esslöffel gemahlenen Kümmel in den flüssigen Zucker geben, leicht verühren und mit der Palette (oder einer Backschaufel) das Gemisch auf Pergamentpapier streichen. Kalt werden lassen. Die Masse wird fest und kann dann mit einem Messer leicht zu Krümeln zerhackt werden.

Zum Schluss die Rote-Bete-Essenz erhitzen und die Roten Bete zugeben. Die Käse-Creme auf den Tellern verteilen und mit der Roten Bete, Kräutern und Kümmelkaramel anrichten. Die Kümmelkaramelkrümel wie eine Kokainlinie (siehe Miami Vice) über den Teller ziehen.

Wir brauchen: 240 g Kabeljaufilet, 250 g weiße Bohnen (die kleinsten, weißen, getrockneten), 1 Karotte, œ Stange Lauch, 8 kleine Zwiebeln, 1 kleines Stück Sellerie, 10 Zehen Knoblauch, 2 Zweige Thymian, 1 Lorbeerblatt, 2 Zweige Bohnenkraut, 60 g Speck, 4 cl (zwei Schnapsgläschen) weißen Portwein (ersatzweise anderen süßen Weißwein oder mit Zucker leicht gesüßten trockenen Weißwein), 200 g geputzten und gehackten Spinat, Sonnenblumenöl, kandierte Orangenschalen einer unbehandelten Orange, 40 g frisch gemahlene und selbst angeröstete Haselnüsse.

Die kandierten Orangenschalen:

Von der unvergifteten Orange mit dem Sparschäler Streifen abschneiden. Die Streifen in Juliennes schneiden und schließlich in kleine Würfel. Orangenwürfel zweimal in kochendem Wasser kurz blanchieren. In Zuckerwasser – ein Teil Zucker, vier Teile Wasser – aufkochen und heiß in ein Schraubglas abfüllen. Hält sich im Kühlschrank zwei Wochen.

Die weißen Bohnen:

Drei Zwiebeln, Karotte, Lauch, Sellerie, vier Zehen Knoblauch und den Speck in große Stücke schneiden und in etwas Olivenöl anschwitzen. Weiße Bohnen zugeben, mit Wasser auffüllen und drei Stunden lang köcheln, in denen Sie mit der Nachbarin schmusen. Speck, Zwiebeln, Knofel und Wurzelgemüse rausfischen und wegwerfen. Jetzt drei weitere Zwiebeln und sechs Knoblauchzehen fein schneiden, in Butter leicht anbräunen und – zisch! – mit dem Süßwein löschen. Die Hälfte des Kochfonds der Bohnen zugießen und kräftig reduzieren. Die Hälfte der weißen Bohnen mit etwas Kochfond pürieren und durch ein Sieb streichen.

Spinat:

Zwei Zwiebeln und zwei Knoblauchzehen kleinhacken, in Butter anschwitzen, die Hälfte des Spinats zugeben und zwei Minuten braten. Die andere Hälfte des Spinats blanchieren und in Eiswasser abschrecken. Das gibt die sattgrüne Farbe. Den Spinat gut ausdrücken und mit dem angebratenen Spinat und einer kräftigen Dosis Sonnenblumenöl pürieren.

Kabeljau:

Den Fisch in vier Portionen teilen, in ein Pfützchen Sonnenblumenöl setzen und sechs Minuten im Ofen bei 160 Grad garen. Er soll innen noch leicht glasig sein.

Vor dem Servieren die Bohnen mit einem Schuss Kochfond erhitzen. Etwas von der Bohnencreme zum Abbinden zugeben, bis alles schön sämig ist. Mit Muskat, Salz, Pfeffer und kandierten Orangenwürfeln abschmecken. Dann den pürierten Spinat mit etwas Bohnenfond mixen und mit Bohnen und Fisch anrichten. Der Kabeljau sitzt lässig obendrauf und wird mit den gerösteten (!) und zermahlenen Haselnüssen bestreut.

Wir brauchen: 2 Tauben (im äußersten Notfall geht auch Entenbrust), 0,2 l Sonnenblumenöl, Zitronenschale, 2 Zehen Knoblauch, 160 g Sellerie in feinen Streifen, 2 große frische Feigen, 50 g geviertelte Macadamianüsse, 1 Bund Rucola, 12 cl roter Portwein (oder leicht gesüßter Rotwein) 2cl (1 Schnapsgläschen) Crème de Cassis (oder Johannisbeergelee), 6 Zweige Thymian, œ Sternanis, 2 cl Balsamico, 1 Essl. Zucker, Orangensaft von 2 Orangen, 1 Essl. Olivenmus, 1 Essl. Kuvertüre.

Portweinfond:

Vielleicht zwischendurch mal die Küche aufräumen, ein Schlücken Wein naschen und sich von der Küchenhilfe den Nacken massieren lassen. Dann die Feigen schälen, in Würfel schneiden und auf die Seite stellen. Portwein und Cassis zusammen mit drei Zweigen Thymian und der Feigenschale einkochen lassen, bis nur noch zwei Schnapsgläschen Flüssigkeit übrig bleiben.

Schoko-Olivensauce:

Den Zucker karamelisieren lassen. Das kriegen wir jetzt perfekt und angstfrei hin. Mit dunklem Balsamico ablöschen, mit Orangensaft auffüllen, gut einkochen, bis nur noch drei Schnapsgläschen (6 cl) Flüssigkeit übrig bleiben. Jetzt die Haare aus der Stirn wischen, Kuvertüre und Olivenmus einrühren. Fertig ist das Sößchen.

Die Tauben:

Brust und Keulen auslösen und sauber entbeinen. Sonnenblumenöl zusammen mit drei Zweigen Thymian, dem Knoblauch und der Schale einer halben Zitrone heiß machen und stehen lassen. Nach dem Abkühlen über die ausgelösten Taubenteile geben und 24 Stunden stehen lassen, dabei öfter mal umdrehen. Schließlich die Taubenstücke beidseitig drei Minuten in einer Mischung aus Sonnenblumenöl und Butter (eins zu eins) braten. Wer keine Tauben bekommen hat und auf Entenbrust ausweicht, muss sie je nach Dicke fünf bis zwölf Minuten braten. Zuerst auf der Hautseite anbraten, dann wenden und im heißen Ofen fertig garen.

Feigensalat:

Selleriestreifen und Macadamianüsse in viel Sonneblumenöl leicht bräunlich braten, abtropfen lassen. Rucola putzen, waschen, trocken schleudern. Sellerie, Rucola und Feigen mit dem Portweinfond, mit Balsamico, Salz und Pfeffer abschmecken.

Den Feigensalat schön auf den Tellern verteilen, einen feinen Kreis Schoko-Olivensauce um den Salat herum träufeln. Das Taubenfleisch in feine Streifen schneiden und auf dem Salat in Fächerform anrichten. Salz und Pfeffer drauf, servieren!

Die wichtigste Ingredienz für diesen Gang ist ein erstklassiger milder, wirklich hochwertiger Essig. Inzwischen gibt es auch in Deutschland sehr gute Essigproduzenten. Also: Bitte nicht mit bollerig saurem Industrieessig hantieren, der den Gästerachen verätzt, sondern einen feinen, milden Weinessig verwenden. Die Köche empfehlen „PX edelsauren Essig“ von Gegenbauer (Tel. 09 11/52 51 53).

Wir brauchen: 2 Bananen, 2 Essl. Puderzucker, 7 Eigelb, 20 g Stärke, 450 ml Sahne, 1 œ Vanillestangen, 4 cl Rum, 75 g fertig gekauften Blätterteig, œ 1/2 Teelöffel selbst gemahlenen Anis, 3 cl feinsten Weinessig, 2 cl weißen Balsamico (notfalls anderen milden Weinessig), 40 g Kuvertüre mit 70 Prozent Kakaoanteil, Zucker, Milch, Wasser.

Eis:

150 ml Milch und 450 ml Sahne mit einer Vanillestange aufkochen und eine halbe Stunde ziehen lassen. Fünf Eigelb mit 80 g Zucker schaumig rühren und mit der Vanillemilch bei sanfter Hitzezufuhr aufschlagen bis die Masse dicklich-cremig wird. Erkalten lassen und und mit etwa eineinhalb Schnapsgläschen des edlen Essigs abschmecken. In der Eismaschine frieren lassen oder im Tiefkühler. Wer einen Tiefkühler benutzt, muss die Masse während der „Vereisung“ öfter durchrühren.

Konditorcreme:

200 ml Milch mit der halben Vanillestange aufkochen. Zucker, Stärke, zwei Eigelb und 50 ml Milch verrühren und langsam in die köchelnde Milch einrühren. So lange weiterrühren, bis die Masse stark andickt. Durch ein Sieb streichen, mit dem Rum abschmecken.

Blätterteig:

Gekauften Blätterteig mit Puderzucker bestreuen und dünn ausrollen. Dabei öfter wenden und nachzuckern. Den Blätterteig auf ein leicht eingeöltes Pergamentpapier legen und auch die Oberseite mit Pergament abdecken. Mit einem Gitter (Rost) beschweren, damit der Teig nicht aufgeht und acht Minuten bei 180 Grad backen. Anschließend mit einem Ausstecher von etwa acht Zentimeter Durchmesser die Törtchen ausstechen.

Tarte:

Auf jedem Törtchen einen Teelöffel Konditorcreme verteilen und mit dünnen Bananenscheiben belegen. Mit brauenem Zucker bestreuen. Jetzt kommt’s: Die beiden Köche rücken dem Zucker anschließend mit der Lötlampe zu Leibe. Sie flammen ihn kurz ab und lassen ihn dabei schmelzen. Nicht jeder Leser hat eine Lötlampe in der Küche rumstehen. Den Zucker also entweder vorher schmelzen lassen oder etwas Rum drauftropfen und dann flambieren. In jedem Fall: Obacht! Bitte keine versengten Haare oder Augenbrauen auf den Tartes verteilen. Die Törtchen zum Schluss mit gemahlenem Anis bestäuben.

Schokosauce:

Eis und Törtchen kann man noch mit einer Schokosauce verfeinern. Dazu aus einem Esslöffel Zucker Karamel machen, also schmelzen lassen. Mit einem Schnapsgläschen Balsamico ablöschen, mit 100 ml Wasser auffüllen und leicht einkochen. Anschließend die Kuvertüre einrühren. Fertig!

Bananentörtchen und Eis auf die Teller setzen, die Schokosauce in braunen Linien drüber kleckern.

Anschließend: Zigarren, Kaffee, Schlehenbrand, Spaziergänge.

ANDREE KÖTHE und YVES OLLECH haben gemeinsam das Buch „Die Kunst des Würzens. 101 phantasievoll-aromatische Gerichte“ veröffentlicht (Girschek Verlag, Gümlingen 1999, 320 Seiten, 17,79 €). Ihr (kleines!) Restaurant „Essigbrätlein“ liegt in der Nürnberger Altstadt, Am Weinmarkt 3. Fon: (09 11) 22 51 31. Rechtzeitig reservieren! MANFRED KRIENER betreut die monatlich erscheinende Sättigungsbeilage des taz.mag. Er ist Chefredakteur des „Slow Food Magazins“