berliner szenen: Paralleluniversen
Gürtelschnallen
Für alte Freunde begibt man sich ja gerne mal in Paralleluniversen. Nicht zuletzt, weil man sonst so speziell vor sich hin lebt, ist das ein willkommenes Training, um sich mit der Welt zu beschäftigen. In Mission unterwegs für eine alte Freundin landete ich kürzlich in einem Fachgeschäft für Rockabilly-Bedarf im Prenzlauer Berg. Mir war zugetragen worden, dass es dort schicke Gürtelschnallen mit Elvis-Schriftzug gebe. Solche Sachen erwärmen das Herz meiner alten Freundin. Besonders, weil sie kürzlich ein Kind bekommen hat, das Elvis heißt. Also, ein prima Geschenk, das sie später sogar mal vererben kann. Der Ausflug ins Rockabilly-Paralleluniversum machte Spaß. Ich durfte vor dem Kauf sogar – ohne ein Pfand zu hinterlegen – die verschiedenen Elvis-Gürtelschnallen zum Auto mit der wartenden Freundin tragen, um sie zwischen verschiedenen Farben und Formen wählen zu lassen.
Das wirklich Erstaunliche ist aber: Meine Freundin guckte erst begeistert, dann leicht enttäuscht. Die Erklärung: „Aber ich wollte dir auch eine Gürtelschnalle schenken.“ Mit welchem Motiv, hat sie mir noch nicht verraten, aber es soll auch um amerikanische Mythologie gehen. Das ging mit der anderen besten Freundin letztes Jahr an Weihnachten genauso. Damals waren fellbezogene Wärmflaschen das gegenseitige Geschenk – ohne dass wir uns vorher über deren Nutzen und Notwendigkeit ausgetauscht hätten. Genauso wie Gürtelschnallen zwischen der alten Freundin und mir kein Thema waren. Auf der Mikroebene hat das ja was Schönes, wenn man daran erinnert wird, wie gut man sich kennt. Und auf der Makroebene sogar was Weihnachtlich-Versöhnliches, wenn sich die sogenannten Paralleluniversen plötzlich als Fiktion erweisen. STEPHANIE GRIMM
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