Junge Herren mit großer Perspektive

Auch ohne erfahrene Kämpen wie Roßkopf und Wosik gewinnt das deutsche Tischtennis-Team die Europaliga

AALEN taz „Timo, Timo“`, tönt es vielfach aus den 1.200 meist jugendlichen Kehlen in der Greuthalle. Gerade hat die Nummer eins der deutschen Rangliste, Timo Boll (20), den ersten von zwei Matchbällen im entscheidenden fünften Satz gegen den Austro-Chinesen Weixing Chen genutzt. Mit dem 3:1-Erfolg über die bislang ungeschlagenen Österreicher glückte doch noch ganz knapp die Titelverteidigung der Tischtennis-Europaliga, die nun schon zum dritten Mal in Folge gewonnen wurde. Bei Punktgleichheit mit den Alpenländlern entschied der direkte Vergleich, den die Deutschen mit 5:4 gewannen.

Die Chancen auf eine Revanche für die 2:3-Niederlage gegen die Österreicher im Hinspiel im September in Bregenz waren bereits im Vorfeld deutlich angestiegen. Die Gäste kamen nämlich ohne ihren Topspieler Werner Schlager in die Ostalb. Heftig dementiert wurden von Seiten des österreichischen Verbandes ÖTTV aber Gerüchte, der Weltranglisten-Zehnte komme Verpflichtungen eines Sponsors nach und spiele in China. „Werner Schlager ist wegen dringender persönlicher Gründe, die wir akzeptieren, nicht dabei. Es gibt auch keine Unstimmigkeiten von Schlager mit dem Verband“, erklärte ÖTTV-Vizepräsident Rudolf Sporrer.

Respekt zollte Sporer nach der Begegnung der deutschen Mannschaft, die mit einem Durchschnittsalter von nicht einmal 22 Jahren zu diesem Finalspiel angetreten war. „Ich habe allergrößten Achtung vor der Tatsache, dass die deutsche Mannschaft die komplette Endrunde mit einem jungen Team bestritten hat. Der DTTB wird in den nächsten Jahren mit dieser Mannschaft noch um viele Titel spielen.“

Nach dem erwartet klaren 3:0-Auftaktsieg von Boll gegen Kostadin Lengerov glückte dem 23-jährigen „Oldie“ der deutschen Mannschaft, Zoltan-Fejer-Konnerth, mit seinem 3:2 Erfolg über den rund 40 Weltranglistenplätze höher geführten Weixing Chen ein überraschender 3:2 Erfolg. Fejer-Konnerth lag im entscheidenden fünften Satz bereits mit 7:10 im Rückstand, als er mit Hilfe des Publikums noch zu einem 12:10 im Entscheidungssatz kam. Den einzigen Schönheitsfehler aus deutscher Sicht leistete sich Lars Hielscher (22) mit seiner klaren 0:3 Niederlage gegen Robert Gardos.

Mit 1:2 nach Sätzen lag Boll gegen Weixing Chen bereits zurück. Selbst die Zuschauer zweifelten offenbar am Erfolg des Deutschen. Dem Sprechgesang „Steht auf, wenn ihr Siegen wollt“, kamen ganze drei Leute nach. Einer jedoch glaubte an sich: Timo Boll. Die Faust nach einem Topspinball zum 4:2 im vierten Satz in die Höhe gestreckt, signalisierte er dem Publikum: „Ich pack’s.“ Und ließ in den beiden Schlusssätzen keinen Zweifel daran, wer der Herr an der Platte ist. Österreichs Sportdirektor Hans Friedinger blieb nur die Ankündigung, die Deutschen nun eben in der Europaliga-Saison 2002/2003 vom Platz an der Sonne zu verstoßen.

CHRISTOPH GAHLAU