: Bei Anruf: Schutz für Schutztruppe
Die Afghanistan-Schutztruppe ist eine „Schutztruppe light“. Bei Konfliktfällen untersteht sie dem US-Kommando und ist auf Hilfe der US-Truppen angewiesen
von SVEN HANSEN
Der UNO-Sicherheitsrat hat einstimmig den Einsatz einer multinationalen Schutztruppe in Afghanistan beschlossen. Das Mandat der in den ersten drei Monaten von Großbritannien geführten Truppe ist zunächst auf sechs Monate beschränkt. Die ISAF („International Security Assistance Force“) ist mit einem „robusten“ Mandat nach Artikel 7 des UNO-Vertrags ausgestattet. Dies legitimiert den Einsatz von Gewaltmitteln zur Durchsetzung des Mandats und nicht bloß zur Selbstverteidigung.
Die Truppe soll laut Sicherheitsratsresolution 1386 der afghanischen Übergangsregierung helfen, „die Sicherheit in Kabul und Umgebung zu gewährleisten, damit die Regierung selbst und das Personal der Vereinten Nationen unter sicheren Bedingungen arbeiten kann“. Zudem soll die Truppe afghanische Militär- und Polizeikräfte ausbilden. Denn diese und nicht etwa die Schutztruppe werden weiterhin für die Sicherheit in Afghanistan verantwortlich sein.
Die Stärke der multinationalen Truppe nennt die Resolution nicht. Britische Regierungsvertreter beziffern sie mit 3.000 bis 5.000 Soldaten. Die genaue Zusammensetzung ist noch unklar. 22 Staaten haben eine Beteiligung angeboten, die Türkei könnte Nachfolgerin im Oberkommando werden (siehe Kasten).
Die ersten 53 britischen ISAF-Soldaten waren bereits am Donnerstag auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram bei Kabul eingetroffen. Gestern eskortierten die leicht bewaffneten Soldaten bereits Politiker und Diplomaten nach Kabul, die zur heutigen Amtseinführung der afghanischen Übergangsregierung anreisten. In den nächsten Tagen soll dann das insgesamt 1.500 Mann starke britische Kontingent vollständig eintreffen, wie Großbritanniens UNO-Botschafter Jeremy Greenstock erklärte.
Die Schutztruppe wird von dem 49-jährigen britischen Generalmajor John McColl geführt. Er war unter anderem in Zypern, Nordirland und Bosnien stationiert. Im Konfliktfall untersteht seine Truppe aber dem US Central Command in Florida, das die andauernden US-Militäroperationen in Afghanistan leitet. Nach Angaben der britischen Regierung sind die USA dafür zuständig zu verhindern, dass ISAF und die weiter in Afghanistan al-Qaida jagenden US-Einheiten sich in die Quere kommen. Zum anderen fungieren die US-Einheiten vermutlich als Schutztruppe der Schutztruppe, sollte diese in Schwierigkeiten geraten. Deutschland und Frankreich hatten zuvor auf einer strikten Trennung zwischen Schutztruppe und den US-Truppen zur Terrorismusbekämpfung bestanden. Die USA stellen für ISAF keine Soldaten, aber Logistik.
Trotz des „robusten“ Mandats handelt es sich bei ISAF um eine Schutztruppe „light“. Sie wird nur leichte Waffen und keine Panzer haben und stark vom konstruktiven Verhalten bewaffneter afghanischer Fraktionen und darunter vor allem von der Nordallianz abhängig sein, für die sie fast schon eine Art Hilfstruppe ist. Als Zeichen ihrer friedlichen Absicht sollen die ISAF-Soldaten zunächst auch keine Helme tragen.
Mit der Begrenzung des Mandats der Schutztruppe auf Kabul und die nähere Umgebung hat sich die Nordallianz durchgesetzt. Sie hat immer behauptet, sie könne für die Sicherheit im Land sorgen. ISAF wird keine anderen Städte oder Hilfskonvois schützen dürfen. Sie brauchte ein neues UN-Mandat, sollten ihre Angehörigen außerhalb des Großraums Kabul operieren wollen. Umstritten ist jedoch auch die Rollenverteilung in Kabul. Die Petersberger Afghanistan-Konferenz hatte am 5. Dezember beschlossen, dass alle bewaffneten afghanischen Kräfte auf der Hauptstadt abgezogen werden sollte. Dies bekräftigte auch der UN-Sicherheitsrat. Der designierte Verteidigungsminister der Übergangsregierung und bisherige Militärchef der Nordallianz, General Mohammed Fahim, hat sich aber noch am Donnerstag dagegen ausgesprochen. Zugleich bezeichnete er die Präsenz der Schutztruppe in Kabul nur als „symbolisch“. UN-Soldaten hätten kein Recht, sich in afghanische Angelegenheiten einzumischen und irgendjemanden zu entwaffnen. Wer sich letztlich durchsetzt, bleibt abzuwarten.
Neben den US-Truppen als letzte Rettung dürften für ISAF vor allem diplomatischer und finanzieller Druck der internationalen Gemeinschaft die wichtigsten Waffen sein. Für die Kosten der Schutztruppe sollen die daran beteiligten Staaten selbst aufkommen, darüber hinaus soll bei der UNO dafür jedoch auch ein Fonds eingerichtet werden. In den können dann Staaten, die keine Truppen entsenden, einzahlen.
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