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Offene Tür

Als traute Familientage kann man die Weihnachtsfeiern unserer Familie nicht unbedingt bezeichnen. Zutreffender wäre eher „Tag der offenen Tür“. Denn keiner aus unserer Familie kann „Nein“ zu einsamen Seelen sagen. Also laden wir sie zu uns ein.

Da war zum Beispiel Niko, der griechische Kollege meines Vaters, der über die Festtage nicht zu seiner Familie auf die sonnige Insel Rhodos fliegen konnte. Sein Heimweh steckte an, wir bedauerten ihn fürchterlich. Mitschuldig war vielleicht auch die verwitwete Nachbarin, die meine Mutter eingeladen hatte, und die ständig von den guten alten Zeiten sprach. Der arme Niko wurde immer depressiver, auch weil er die deutsche Weihnachtskultur so wenig fröhlich fand. Während in seiner Heimat die Leute ausgelassen feierten, würden hier schon die Weihnachtslieder vom Gegenteil des Frohsinns zeugen.

Recht lustig hingegen war der weihnachtliche Besuch aus England im Jahr darauf. Obwohl das mit Entsetzen gepaarte Lachen beim Auspacken ihrer Geschenke bei meiner Schwester und mir von tadelnden Blicken unserer Eltern begleitet wurde. Die hielten sich zugegebenermaßen sehr tapfer angesichts des lilafarbenen Schminksets für meine Mutter.

Carol, die amerikanische Austauschschülerin meiner Schwester, belehrte uns, dass ihr Familienchristbaum in Ohio immer mit Zu-ckerstangen beschmückt sei. Jorge, ein Freund aus Venezuela, wollte statt „Oh Du fröhliche“ lieber Samba und Merengue aus der Stereoanlage hören, und voriges Jahr klärte Julia uns auf, dass in ihrer russischen Heimat Weihnachten überhaupt nicht gefeiert wird.

In diesem Jahr steht noch kein Gast ins Haus, aber ich bin sicher, spätestens Heilig Mittag wird einer von uns noch jemanden mitbringen. af

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