berliner szenen: Bruch ohne Kunst
Kein Zahlungsmittel
Es war dunkel und die Tucholskystraße menschenleer. Die Diebe brachen die Türen der Galerie Felixleiter auf, mussten auch leider nicht lange suchen, schnappten sich das Geld, und doch werden sie keine große Freude daran haben. Denn die einst echten Scheine sind längst ungültig im Sinne eines Zahlungsmittels. Weil sie zu Kunst wurden: Ruppe Koselleck betreibt seit drei Jahren eine Art Kunstgeldhandel. Man schickt ihm zum Beispiel drei Zehner, einer davon wird eingeschweißt, und dafür erhält man einen Zehner seines Vorgängers. So kommt das Kunstgeld wieder unter die Leute und steigt in seinem Wert. Ist aber als normales Zahlungsmittel wertlos. Vielleicht hätten das die Galeristen in großen Lettern allen Besuchern, darunter wohl auch den potenziellen Dieben, verkünden sollen. Die echten Banknoten werden von dem Münsteraner Künstler per Stanzung signiert, umdatiert und eingeschweißt, auch die Seriennummern sind registriert. Beim Versuch, die laminierten Geldscheine aus ihrem Plastikgefängnis zu befreien, werden diese zerstört, weil sie untrennbar mit den klebenden Folien verbunden sind. Solche Scheine umzutauschen, hätte für die Herren Einbrecher zudem fatale Folgen. Denn sie müssten erklären, wie und warum die Scheine so aussehen, und ihre Personalien offen legen. Dumm gelaufen. „Schöne Bescherung!“, meint Galerist Stephan Homann und möchte die Scheine am liebsten unversehrt zurück haben, und zwar sobald wie möglich. Denn für die Langfinger haben die geklauten Geldscheine, ein kompletter deutscher Geldsatz vom Fünf-Mark-Schein bis zum Tausender, absolut keinen Wert. Da waren echt blöde Berliner Ganoven am Werk. Und wohl leider auch komplette Kunstbanausen.
ANDREAS HERGETH
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