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Verwelkende Landschaften

Zerrieben von einer speziellen Hamburger Standortpolitik: Mit einem letzten Konzert verabschiedet sich das Knust, einer der ältesten Liveclubs dieser Stadt – und gibt den Kampf um einen neuen Ort nicht auf  ■ Von Michael Hess

Clubsterben hatte in Hamburg dieses Jahr Konjunktur. Zunächst für den Mojo-Club und das Phonodrome angekündigt, wurde Ende Juni das überraschende Aus für das Knust bekannt. Während ein Weiterbestehen des Mojo anderenorts gesichert scheint – heißer Favorit ist weiterhin das ehemalige Möbelhaus Brandes am Nobistor – läuft für einen der ältesten Musikclubs Deutschlands am Sonntag nach über 25 Jahren die Zeit ab.

Seit einem halben Jahrhundert waren die Souterainräume in der Brandstwiete ein Ort der Livemusik. Im damaligen Jazz-House spielten in den 50er und 60er Jahren Größen wie Herbie Hancock und Freddie Hubbard. Seit den 70ern etablierte sich mit dem Knust Hamburgs wohl renommiertester Liveclub. Immerhin wird es mit der Musik an diesem geschichtsträchtigen Ort nicht ganz vorbei sein. Nach dem Abriss des alten Kontorhauses soll auf Betreiben der städtischen Sprinkenhof-AG und mit Unterstützung der Wirtschaftsbehörde an der Ecke Brandstwiete und Reichenstraße neben einem „Haus der Kleingewerbe“ demnächst auch eine Großraumdiskothek entstehen.

Was wie ein Schauermärchen staatlicher Sanierungstollwut aus den Betonzeiten der 60er und 70er klingt, ist in Hamburg mittelbare Folge einer nach Standortfaktoren hin ausgerichteten Kulturpolitik, wie sie unter dem letzten Senat zur Selbstverständlichkeit wurde. Die Wirtschaftsbehörde agiert, die Kulturbehörde bedauert und übt sich in Schadensbegrenzung.

Ähnliches passiert auch anderswo. In Berlin erlebt die Clubszene gerade die Schattenseiten des Hauptstadtbooms, zu dem sie durch Vielfalt und ein äußerst attraktives Programm selbst beigetragen hat. Ob Clubs wie das Maria am Ostbahnhof, Ostgut oder Dezibel: Eine steigende Nachfrage ließ auch hier die Mietpreise ins Kraut schießen, den Subkultur-Pionieren folgt wie immer ein Treck aus Haus- und Bodenspekulanten. Das dort stark diskutierte Clubsterben zeigt im Zeitraffertempo, dass Subkultur nicht als Katalysator für Standortpolitik taugt: Denn im Prozess des Wachstums verbraucht sie sich immer selbst.

Dennoch ist die Lage in Hamburg eine andere. Hier scheint Livemusik noch nicht mal als Standortfaktor von Interesse. Das Wort „Clubsterben“ wird so zum Euphemismus für die von der Stadt sanktionierte Liquidierung von Clubs. Tatsächlich erfüllte die Art, wie sich der Senat um die Belange der Hamburger Clubszene gekümmert hat, mindestens den Tatbestand der fahrlässigen Tötung durch Unterlassung. Bereits vor Jahren entzog eine auf Druck der Hamburger Außenwerbung GmbH durchgesetzte Ahndung der sogenannten Wildplakatierung den Clubs ihre angestammte und preiswerte Werbeplattform.

Neugründungen werden durch Behördenauflagen wie Lärmschutz oder das Bereitstellen von genügend Parkplätzen zu einem nicht kalkulierbaren finanziellen Risiko. Frisch umgestaltete Eckkneipen wie die Tanzhalle oder die Astra-Stuben geben zwar kurzfristige Impulse. Doch haben diese Bars mit einem geregelten, und vor allem gut organisierten Konzertbetrieb in der Regel wenig zu tun. Das Gegenteil von gut heißt hier meist gut gemeint. Und behördliche Restriktionen erledigen den Rest.

Von Seiten der Politik war dazu bislang eher wenig zu erwarten. Wobei sich die Frage stellt, was genau erwartet werden sollte. Subventionierte Subkultur halten zwar viele für einen Widerspruch in sich. Doch ebenso paradox ist eine Hamburger Kulturförderung, die sich fast ausschließlich dem elitären Kulturbetrieb verpflichtet fühlt, und damit Standortpolitik zu betreiben meint. Allein wegen einer Oper wird sich aber heute kaum noch ein Unternehmen für Hamburg entscheiden.

Dass verschiedene Sparten hiesiger Kultur auch für unterschiedlich förderungswürdig erachtet werden, ist nicht neu. Die aus ihrem Amt geschiedene Kultursenatorin Christina Weiss hielt sich im Bereich der so genannten niederen Künste meist bedeckt. Die Addition Kultur und Jugend hieß bei ihr im Ergebnis meist „Schülerkarten für die Musikhalle“. Als Glanzstück kulturbehördlicher Clubförderung gilt daher die Clubprämie, die jährlich von einer Jury als Belohnung für gute Booking-Arbeit verteilt wird. Ganze DM 140.000 ließ sich Hamburg in Kooperation mit der Phonoakademie und Viva bisher diese Arbeit jährlich kosten. Das sind knapp 0,4 Promille des Hamburger Kulturetats. Im Vergleich: für den Erweiterungsbau der hochsubventionierten Staatsoper stehen mindes-tens 60 Millionen bereit.

Nur einmal gab es ein unverhofftes Geschenk für den Popnachwuchs. 1998, auf der – mittlerweile in Berlin stattfindenden – Echo-Verleihung wankte der Wirt-schaftsstandort Hamburg derart, dass der Senatorin glatt DM 40.000 Nachwuchsförderung aus der Tasche fielen. Empfänger: eine Rockband aus Salzgitter. Vivid hießen die, waren bei der Industrie unter Vertrag und damit so förderungswürdig wie eine McDonalds-Filiale. Auf den Kulturpreis der Stadt Salzgitter für eine Hamburger Band warten einige hier übrigens heute noch.

Dass die Situation sich für die Hamburger Clubs unter dem neuen Senat verbessern wird, wagt zur Zeit niemand zu hoffen. Dennoch scheint man sich im Hause des kommissarischen Kultursenators Rudolf Lange (FDP) verstärkt für die Belange des Knust zu interessieren. Falls es dem Knust-Pächter Norbert Roep gelingen sollte, einen neuen Laden zu finden, so heißt es, werde man sich großzügig an den Umzugskosten beteiligen. Lange selbst stattete dem Knust bereits einen Besuch ab. Der Grund für soviel Interesse, war indes profan. Langes Sohn trat dort mit seiner Band auf.

Knust – das letzte Konzert (mit Cow, Silkie Watzlove & The Hootsiefuckys, Los Fabulous Bill Billies und DJ-Team Franz Dobler und Guz): Sonntag, 21.15 Uhr, Knust

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