: Das Jahr der Castor-Proteste
Nach fulminanter Blockade im Frühjahr wurden die Transporte Alltag ■ Von Gernot Knödler
Dass die Castor-Blockaden im Wendland im März zu einem Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung wurden, ist unbekannten Beton-Mischern und vier jungen AktivistInnen von Robin Wood zu verdanken. Bei Süschendorf hatten Castor-GegnerInnen einen Stahlbetonblock mit engen Rohren ins Gleisbett gegossen. Die Leute von Robin Wood nutzten die Vorarbeit und ketteten sich in den Rohren fest. Bei kaltem Märzwetter gelang es ihnen auf diese Weise, den ersten Castor-Transport ins Zwischenlager Gorleben seit vier Jahren 19 Stunden lang aufzuhalten.
Mit dieser Heldentat und mit einer Vielzahl von Demonstrationen, Kundgebungen und Gleisbesetzungen gelang es mehreren Tausend DemonstrantInnen, den Blockade-Rekord von 1997 zu überbieten und den Preis für den Transport in die Höhe zu treiben. Keine weitere Aktion des in Sachen Castor-Transporte bewegten Jahres war ähnlich erfolgreich. Zwar protestierten auch Anfang November wieder viele Hundert Menschen im Wendland. Allein: Der Coup vom März erwies sich als nicht zu toppen.
Auch der Versuch, gegen die Atommülltransporte zu den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield mitten durch Hamburg hindurch zu mobilisieren, brachte vergleichsweise wenige Menschen auf die Straße oder das Gleis. Immerhin gelang es zwei Robin-Wood-Aktivisten mit der Ofenrohr-Methode einen Castor-Zug in Stade 70 Minuten lang aufzuhalten. Die für den Sommer geplanten Transporte fielen wegen des Todes von Hannelore Kohl und dem Terroranschlag in den USA aus. Im Oktober gelang es jeweils nur kurz, die Züge aufzuhalten.
Der Staat reagierte vor allem im Wendland auf Besorgnis erregende Weise: Jeder Haushalt durfte nur zwei Gäste beherbergen und muss-te der Polizei Zutritt gewähren. Entlang der Bahnstrecken wurden großzügig Versammlungsverbote ausgesprochen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) unterstellte den BlockiererInnen „schwerste Straftaten“ und setzte sie so mit Vergewaltigern und MörderInnen gleich.
Den politischen Preis für die Ereignisse mussten vor allem Bündnis 90/ Die Grünen bezahlen. Als Regierungspartei, die im Bund einen ungeliebten Atomkonsens zuwege gebracht hatte, sahen sich die Grünen in der Pflicht die Transporte zu verteidigen, während ein Teil ihrer Basis das vorzeitige Ende der Atomkraft weiter auf dem Blockadeweg erzwingen wollte.
Ihr Bundesparteitag rief zwar nicht zu Protesten auf, stellte den Mitgliedern jedoch eine Teilnahme frei. Der Hamburger Landesverband verzichtete auf eine eigene Empfehlung. Dafür engagierte sich das GAL-Spaltprodukt Regenbogen umso stärker im Widerstand. In WählerInnenstimmen bei der Bürgerschaftswahl hat sich das jedoch nicht niedergeschlagen.
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