Nicht totzukriegen

Land Speed Record: Die Cowpunk-Band Blood On The Saddle spielt im Wild At Heart

Dieser Name schmeckt heutzutage sehr seltsam. Aber Blood On The Saddle heißen nicht nur komisch. Sie sind vor allem eine fahle Erinnerung an Zeiten, die so gründlich vergangen sind, dass nicht einmal mehr an ein Revival zu denken ist. Es war eine Zeit, in der Rockmusik keine Zukunft mehr zu haben schien. Selbst Punk zeigte schon ernst zu nehmende Ermüdungserscheinungen, und Country & Western war damals lange noch nicht cool genug, um wirklich hörbar zu sein. Cowboyhüte waren nur denkbar für Achtjährige und auch das nur während der Faschingszeit.

Selbst Johnny Cash war in diesen dunklen Zeiten noch nicht heilig gesprochen, sondern eine eher lächerliche Figur, die man in den USA im Fernsehen für elektronische Bibeln werben sehen konnte. Schon bei der Bibelwerbung machte Cash keinen allzu lebendigen Eindruck mehr, aber so, wie er sich seitdem ganz gut gehalten hat, scheint auch Country nicht totzukriegen zu sein. Völlig regungslos allerdings ist mittlerweile das Genre, das half den Leumund von Country entschieden zu verbessern. Gelangweilte Punkrocker adaptierten Slide-Gitarre und Honky-Tonk-Rhythmus, verdoppelten das Tempo, schrieben ein paar blasphemische Texte und Cow-Punk war geboren. Einer dieser Punkrocker hieß Greg Davis. Die Liebe zur Volksmusik entdeckt er in New Orleans als Banjo-Spieler in Bluegrass- und Cajun-Kapellen.

Die Bands, die die sie umgebende Tradition mit den damals neuesten Errungenschaften verbanden, nannten sich Rank & File, Tex & the Horseheads oder Beat Rodeo. Geblieben sind nur Blood On The Saddle aus Los Angeles, die all die Jahre tapfer halbakustisch gegen alle Modernierungswellen und Traditionalisierungsbestrebungen gleichermaßen anspielten und mit dem historisch zumindest ein wenig zweifelhaften Werbeaufdruck Cow-Punk-Erfinder hausieren gingen.

Im zwanzigjährigen Auf und Ab von Blood On The Saddle wechselte Greg Davis beständig die Restbesetzung seiner Band. In der ersten Inkarnation der Kapelle sang noch Anette Zalinskas, die gerade bei den Bangles gekündigt hatte. Die Bangles wurden weltberühmt, Anette Zalinskas verließ Blood On The Saddle und verschwand in der Versenkung, und Greg Davis beschloss, fortan noch mehr Instrumentals spielen zu lassen. Die einzige Konstante in den all den Jahren blieb stets das Gitarrenspiel von Davis, dem man die Schulung auf dem Banjo in jener Bluegrass-Band deutlich anhört, und seine Vision von Musik. Diese bestand aus einer sehr rudimentären Rock-Instrumentierung, mit der Country-Rhythmen bedingungslos zu Hochgeschwindigkeiten getrieben wurden. Kurz vorm Kollaps wurden Ruhepausen eingelegt und mit elegischem Gitarrengewimmer gefüllt.

Die eigenen Kompositionen adaptierten westerntaugliche Country-Klischees, und die gecoverten Stücke, egal ob von Rossini oder Hank Williams, ob die Titelmelodie von Bonanza oder Genre-Klassiker, wurden ebenfalls passgenau in dieses Schema eingefügt, in dem dann durchaus auch Blues, mexikanische Klänge oder selbst Irish-Folk-Anklänge ihren Platz fanden. Auch das sechste und neueste Album „Flesh & Blood“ führt starrköpfig diese immer gleiche Inszenierung fort. Für diese Konsequenz kann man sie bewundern. Der Rest ist eine Geschichtslektion über einen Seitenarm der Geschichte der populären Musik, der ins Abseits führte.

THOMAS WINKLER

Heute, ab 22 Uhr, Wild At Heart, Wiener Straße 20, Kreuzberg