„So richtig deutsch-Stock-im-Arsch“

Die Verfilmung seines biografischen Raps „Afrodeutsch“ läuft im Januar beim Sundance-Festival. Bis dahin versucht Tyron Ricketts dem teutonischen Krimimuff ein bisschen Leben einzuhauchen („Die Großstadtsheriffs“, Samstag, 20.15 Uhr, RTL)

von PHILLIPP KOEP

„Deutschland? Wie geht’s Adolf Hitler?“ – „Und selbst, wie geht es Onkel Tom?“: Bei RTL ist das ein flotter Schlagabtausch im legeren Komödienstil. Auf dem globalen Dorfplatz New York prallen in „Die Großstadtsheriffs“ eben Welten auf einander.

Trotz deutscher Oma lässt der US-Cop McMurphy (Tyron Ricketts) den Naziballon steigen. Und auch sein biederdeutscher Kollege Kommissar Schwarz (Wotan Wilke Möhring), dank Interpol-Polizistenaustausch in den USA unterwegs, weiß, wie man einen schwarzen Amerikaner treffen kann. Doch mit der Realität hat die Szene wenig zu tun – oder eben sehr viel.

Tyron Ricketts ist kein Amerikaner, hat eine österreichische Mutter und ist „schwarz“ genug für die Rolle von McMurphy. Tyron Ricketts ist Afrodeutscher, und die Rolle von Kommissar Schwarz würde ihm niemand anbieten. Da wäre ja der Name schon anstößig, und „McMurphy“ (Sie wissen schon: Eddie, knick-knack) ist schließlich auf schwarze Komik abonniert. So bringt Ricketts mit amerikanischer Attitüde und akzentfreiem Deutsch ein wenig internationales Flair in den deutschen Krimimuff, den die RTL-Produktion ansonsten leider verströmt.

Seine Lust und seinen Frust an der deutschen Kultur hat sich Tyron Ricketts in einem Rap von der Seele geschrieben. Unterlegt mit einem Bildtrack aus biografischen Erlebnissen und Szenen wurde der Text als Clip gegen rechte Gewalt verfilmt. Der Kurzfilm wurde für das renommierte Sundance-Festival in Kalifornien ausgewählt und wird dort im Januar gezeigt.

10.000 Seelendorf in Österreich – ich dort als Negerjunge, // 10.000 Sprüche, dumme! gut gemeint als Antwort meine Zunge, // du findest es nicht schlimm, wenn man dich auslacht? Meiner Meinung nach // ist es die Summe, die es ausmacht. Ich erfahre absehbares Grabschen nach der //Haarpracht, die Wuschelhaare, hasste es all die Jahre – dass ich’s heute // noch in mir bewahre, genau wie andre – großteils unsichtbaren Narben, die mir // den Spaß verdarben an Bezeichnungen wie Schokofarben – zu viele Sklaven // starben um drüber zu lachen, zu viele Leute sagen es scherzhaft, um einen // Spaß zu machen. Mutter und Freundeskreis sind farbenblind, beschimpft als // Mohr und Kohlensack wird aus dem Sonnenkind das Sorgenkind.

Farbfernsehen

Im deutschen Farbfernsehen geht es zunehmend „farbig“ zu. Bei MTV und Viva gehören schwarze Moderatoren zum guten Ton, bei Peep zur Erotik, beim öffentlich-rechtlichen Kika zum politisch-korrekten Gesellschaftsproporz und bei Pro 7 zum täglichen Arabella-Dummschwatz. Tyron Ricketts, der selbst über das HipHop-Format Wordcup bei Viva auf den Bildschirm kam, hat sich in der Nische des Positivrassismus eingerichtet. „Schwarze Gesichter sind gefragt“, sagt der 28-jährige Schauspieler, „aber eben immer in den ‚typischen‘ Rollen: Dealer, Tänzer, Rapper oder Sportler. Man wird auf ein sehr kleines Spektrum eingeengt.“

’96 war die Premiere, // so als wenn es gestern wäre, // Scheiß auf die Galere, – // ab jetzt mache ich Karriere! // mach den Carl-Lewis-Läufer, // den Eddy-Murphy-Imitierer, // mime den Drogendealer, // spiele den Basketball und Footballspieler, Liebling vieler – // Angstauslöser auch von vielen, // die nicht vernünftig zielen, // weil sie mir beim Pinkeln // auf den Pimmel // schielen.

Mit einer eigenen Produktionsfirma und eine Agentur für schwarze Künstler hat sich der Kölner auf den Marsch durch die Instanzen der Medienwirklichkeit gemacht. Der Name der Agentur, Panthertainment, gibt sich zwar kämpferisch, aber Ricketts weiß um die Zwiespältigkeit der Nachfrage nach Schwarzen auf Bühne und Bildschirm. „Präsenz ist gut, das ist ein Stück Normalität, aber oft auch ein betoniertes Klischee. Es geht halt zwei Schritte voran und dann wieder einen zurück.“ Panthertainment will sich nicht als Agitprop, sondern als Edutainment für den schwarzen Kulturbereich verstanden wissen.

„Hier schließen sich Menschen mit einer gemeinsamen Erfahrung als Schwarze in Deutschland zusammen. Aber dies ist kein umgekehrter Rassismus, wir grenzen niemanden aus, bei uns arbeiten auch Weiße mit.“ Politisch ist seine Arbeit und sein Engagement beim ISD, der Initiative Schwarzer Deutscher, schon, aber nicht parteipolitisch: „Als Künstler hat man seine Narrenfreiheit. Nur schlechte Schauspieler sind gute Politiker und umgekehrt.“

Rassismus hin und her, tangiert mich nur noch peripher, // daher wird’s einfacher – wow – flow mit dem Verkehr, // meine Hände nicht mehr leer – Model jetzt für Sportswear! // Repräsentier’ dir hier den Rap im Fernsehen, // erogen, telegen – so dass viele Ladys Kopf stehen. // Meine Prognose – Deutschland wird jetzt aufgeschlossen, // wer heute ein Star ist – wurde vor 70 Jahren noch erschossen. // Das HipHop-Ding begann als Sparte, doch ich warte, // heutzutage ist der Schwarze Peter eine Trumpfkarte, // ich chill den Ring entlang und barze, Gras! // weiße Kiddies reden so – bewegen sich sogar wie Schwarze // Der Scheiß ist tief – einstmals verschrien als primitiv, // Heutzutage nennen sich Deutsche Nigger, – meinen es sogar positiv. // Wer gestern noch der Bimbo war – ist heute sogar Moviestar, // leider erscheint mir mancher Move von einigen zuweilen sonderbar.

Selbstbewusstsein

Tyron Ricketts, der seinen jamaikanischen Vater kaum gekannt hat, fühlt sich als Schwarzer. „Das war eine Entscheidung, die ich nie selbst zu treffen brauchte. Die anderen sahen mich als Schwarzen, aber ich habe auch nie ein Weißer sein wollen. Dafür hat meine Mutter mir zu viel Selbstbewusstsein mitgegeben.“ Vor die Rollenwahl Othello oder Siegfried gestellt, stutzt er: „Ich glaube, Siegfried wär’ nicht so passend.“ Also ist er wirklich kein bisschen „deutsch“? – „Doch, wenn ich im Süden bin, dann merke ich, wie verkrampft ich bin. So richtig deutsch-Stock-im-Arsch.“

Doch interessant, die mit Verstand haben’s erkannt // – hol deine Finsternisbrille, die Sonne geht jetzt auf im Abendland // Mein Deutsch ist wortgewandt – Versprecher sind meist Freud’sche // Geräusche täuschen, ich bin offiziell nur Bildungsdeutscher // Richtig – steuerpflichtig – aber darf nicht wählen, // ist okay – solange sich eure Kids auf unsere Partys stehlen // die 60’s Black Power, die 80’s Perestroika, // 2000 ist es HipHop, // Das ist mein Wort als Afrodeutscher!

Textauszüge aus „Afrodeutsch“, der komplette Text ist nachzulesen unter www.panthertainment.com