: Das Edelweiß des Alpendollar bleibt
aus Wien RALF LEONHARD
Den Österreichern fällt es scheinbar nicht allzu schwer, sich von ihrem Schilling zu trennen. Experten rechnen, dass schon in drei Wochen nur mehr vereinzelt die alten Scheine und Münzen zirkulieren werden. Bei einer jüngst veröffentlichten Umfrage bekundeten zwei Drittel, vor dem Euro keine Angst zu haben. Nur vereinzelte Witzbolde wollten mit dem Umtausch warten, „bis der Wechselkurs besser wird“. Jugendliche und Männer, die mitten im Berufsleben stehen, zeigten sich erwartungsgemäß flexibler als Rentner, von denen sich manche noch an zwei Währungsreformen und eine Phase der Hyperinflation erinnern können.
Jene Österreicher, die nach dem 1.Weltkrieg Millionen von Inflationskronen für den Alltagsbedarf ausgaben, bilden zwar inzwischen eine recht kleine Gruppe, doch die Erzählungen von Eltern und Großeltern sind auch in der jüngeren Generation noch lebendig. Der Schilling, der 1924 die 10.000-Kronen-Scheine ersetzte, erwarb sich schnell das Prestige einer harten Währung. Weil er zwischen 1930 und 1936 gegenüber dem US-Dollar, der von der Weltwirtschaftskrise gebeutelt wurde, 30 Prozent an Wert gewann, erhielt er schon früh den Beinamen Alpendollar.
Nach dem siebenjährigen Intermezzo der Reichsmark und der Wiederherstellung der Währungssouveränität im Jahre 1945 hielt sich der Schilling auch gegenüber der D-Mark der Wirtschaftswunderzeit weitgehend stabil. Das mit der österreichischen Währung assoziierte Edelweiß auf der Rückseite der Ein-Schilling-Münze bleibt – in etwas modernisierter Form – auf den Zwei-Cent-Stücken erhalten.
Gemeinsam mit Portugal und Griechenland hat Österreich den Lebensmittelhandel zur doppelten Preisauszeichnung verpflichtet. Eine Euro-Preiskommission gibt es sogar nur in Österreich, sie wacht darüber, dass die Umstellung nicht zu Preiserhöhungen missbraucht wird. Die meisten Beschwerden gab es in den Sommermonaten, als in Restaurants und Geschäften seltsame Preise wie 41,28 Schilling oder 110,08 auftauchten, die wundersamerweise runde Eurobeträge ergaben.
Seither ist die Disziplin größer geworden und die Supermarktketten liefern einander geradezu einen Preiskampf beim Abrunden der zweiten Kommastelle. Die neuen Preise sind freilich immer noch gewöhnungsbedürftig. Schließlich sind die Österreicher an viel höhere Summen gewöhnt.Und auch bei der Umrechnung haben sie es schwerer als die Deutschen: Der Kurs für einen Euro beträgt 13,7603 Schilling.
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