: Hacker wissen auch nicht alles
Auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs wird Jeopardy gespielt, über Wahrheit philosophiert und die Gründung einer Stiftung vorgestellt. Diese soll sich der Hinterlassenschaft des jüngst verstorbenen CCC-Mitbegründers Wau Holland widmen
von MARTINA NIX
Einmal im Jahr trifft sich die bundesweite Hackerszene zu ihrem Kongress. Im Haus am Köllnischen Park steht der Rauch von den vielen Zigaretten. In den Räumen und Fluren sitzen vornehmlich dunkel gekleidete Menschen vor ihren Laptops und PCs. Da wird heruntergeladen, getauscht und gefachsimpelt. In diesem Jahr sind auffällig viele Frauen bei dem eigentlich von männlichen Wesen beherrschten Hackertreffen zugegen.
Bevor zum Abschluss des Treffens die aus Legosteinen gebastelten Roboter gegeneinander kämpfen, wird „Jeopardy“ gespielt. Dabei wählt man wie früher im Fernsehen eine Kategorie und aus dieser ein bestimmtes Feld. Dahinter verbirgt sich eine Antwort, zu der die richtige Frage gestellt werden muss. Da es sich hier aber um das Jeopardy des Chaos Computer Clubs (CCC) handelt, heißen die Kategorien Signals, Geheimdienste, Elektromagnetismus, Quotes oder Protokolle.
„Geheimdienste 200“ ist dabei noch ein einfaches Feld. Dahinter verbergen sich drei Buchstaben: BND. Jeedi, einer der drei Mitspieler, drückt zuerst auf den Knopf. „Was ist der Bund nächtlicher Datendiebe?“, fragt er. Johlendes Gelächter. Denn auch jeder Nichtinsider weiß, was der Bundesnachrichtendienst ist. Schwieriger wird es beim Feld Language 400: „5.times {|x|;print x}“ steht da. Da muss das im Saal 1 versammelte Publikum für die Ratenden antworten: „Was ist Ruby?“ Auch Hacker wissen eben nicht alles.
Auf der Abschlussveranstaltung zeigt sich Veranstalter Andy Müller-Maguhn zufrieden: 2.342 Computerfreaks haben das dreieinhalbtägige Hackertreffen besucht – und die Auslastung der 34 Megabites erreicht, die im Haus am Köllnischen Park verfügbar waren. Und das zum Erstaunen des Internetproviders Berlin, der die Bites zur Verfügung gestellt hat.
Vorgestellt wurde auch die Idee, eine Wau-Holland-Stiftung ins Leben zu rufen. Wau Holland, der 1981 den CCC mitbegründet hat, ist im Juli an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Ende letzten Jahres wäre er 50 geworden. Die Stiftung soll „die elektronisch und schriftlich vorliegende geistige Hinterlassenschaft“ Hollands archivieren und für „die weltweite Informationsfreiheit“ und „das Recht auf Bildung“ eintreten. Deshalb soll auch auf der Website http://wauland.de eine Art Berufsberatung für Hacker entstehen. Allerdings fehlen der Stiftung zur Gründung noch 100.000 Mark.
Insgesamt gab es beim 18. Hackerkongress 83 Veranstaltungen, unter anderem zu Datenschutz, Videoüberwachung und die Einführung des EU-Urheberrechts. Und natürlich wurden dieses Jahr auch wieder Schlösser geknackt, sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene kamen beim Lockpicking auf ihre Kosten.
Auch die Wahrheit war Thema beim Kongress. Denn „wenn man beschließt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und nicht nach vordefinierten Regeln lebt, muss man sich zwangsläufig damit beschäftigen“, sagt Referent Andreas Bogk. Da das ganz nach einem Motto klingt, steckt wohl in jedem Hacker ein Philosoph.
Und so, wie es nicht nur eine Wahrheit gibt, haben auch „alle mathematischen Systeme eine Lücke – es kommt eben darauf an, ob sie einem im Alltag weiterhelfen“. Das erklärt Bogk ganz einfach: „Ein Apfel plus noch ein Apfel hilft einem beim Frühstück.“
Wer das Treffen verpasst hat, kann sich in naher Zukunft die Vorträge als Realstreams unter www.ccc.de runterladen.
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