: Kein Ungar hängt am Forint
Da Ungarns Währung im letzten Jahrzehnt ständig an Wert verlor, würde ihm keiner nachtrauern. Doch ob der EU-Kandidat die Eurokriterien erfüllen kann, ist fraglich
BUDAPEST taz ■ In wenigen Jahren wird auch in Ungarn die Landeswährung, der Forint, verschwinden. Die meisten ungarischen Politiker wollen ihr Land möglichst schnell in der Eurozone sehen. Die Nationalbank hat längst einen Fahrplan für den Wechsel vom Forint zum Euro aufgestellt. An dem werden sich höchstens noch die Abfahrts- und Ankunftszeiten an einzelnen Stationen ändern. Schon diskutieren Experten, ob Ungarn Geldscheine und Münzen mit eigenen Motiven ausgeben solle oder nicht.
Eine nennenswerte Opposition gegen den „Euroanschluss“ Ungarns wird es wohl nicht geben. Die meisten Ungarn halten an anderen nationalen Symbolen fest als am Forint, schon allein deshalb, weil der ihnen seit anderthalb Jahrzehnten eine zweistellige jährliche Inflationsrate beschert. Laut einer Meinungsumfrage des Budapester Marktforschungsinstitutes GfK Hungária von Oktober 2001 sind 69 Prozent der Ungarn für eine Einführung des Euro. Damit ist die Eurobegeisterung in Ungarn unter allen EU-Aufnahmekandidaten am größten – in Tschechien sind laut derselben Umfrage nur 61 Prozent für den Euro, in Polen gar nur 35 Prozent.
Formal könnte Ungarn frühestens zwei Jahre nach dem EU-Beitritt auch Mitglied der Eurozone werden. Zum Januar 2004 will Ungarn der EU beitreten, zur Eurozone könnte es also ab Anfang 2007 gehören. Ob Ungarn in den beiden Jahren nach 2004 die strengen Währungs- und Finanzauflagen erfüllen kann, ist aber fraglich.
Das größte Problem des Landes ist die bislang hohe Inflationsrate. 2001 wird es voraussichtlich erstmals seit langem gelingen, sie knapp unter 10 Prozent zu halten. Ungarns „Wunsch“ sei es, Ende 2003 auf etwa 3,5 Prozent zu kommen, so der Nationalbankchef Zsigmond Járai kürzlich. Etwas besser steht Ungarn bei einer anderen Bedingung da: Letztes Jahr gelang es, das Haushaltsdefizit auf etwa 2,5 Prozent des Bruttosozialproduktes zu drücken. Diese Tendenz soll durch eine strenge Sparpolitik beibehalten werden.
Schon jetzt sei Ungarn rechtlich und technisch gut auf den Eurowechsel vorbereitet, behauptet der Finanzminister Mihály Várga. Doch in der Privatwirtschaft herrschte erst in den letzten Monaten wirkliche Betriebsamkeit. Banken werden Devisenkonten ab Januar kostenfrei auf Euro umstellen und bieten einen Umtauschservice an, haben aber bisher keine größere Euroaufklärung betrieben. Auch viele Unternehmen mit Partnern in Euroländern haben erst in den letzten Monaten begonnen, Rechnungen auch in Euro auszustellen.
Vor allem aber ist unklar, was die Ungarn mit den mindestens 80 Millionen Euro (156 Millionen Mark) Bargeld machen, die laut einer Nationalbank-Schätzung außerhalb des Bankensystems in Umlauf sind – in Form von Geldscheinen und Münzen aus den Euroländern. Denn bisher hat kaum ein Ungar daran gedacht, dass er diese bis Ende Februar 2002 umtauschen muss.
Inzwischen jedoch klären die Medien die Menschen verstärkt über „Ungarn und der Euro“ auf. Die größte Tageszeitung des Landes, Népszabadság, vergaß nicht Allergiker zu warnen: Sie zitierte eine schwedisch-britische Untersuchung, der zufolge einige Euro-Münzen so viel Nickel enthielten, dass sie bei empfindlichen Menschen Hautekzeme auslösen könnten, wenn diese die Münzen zu lange in der Hand halten würden. KENO VERSECK
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