: Und? Schon mit Euro bezahlt?
Mit der neuen Währung wird transparenter, was ein Schnäppchen ist und was Bauernfängerei – tatsächlich gibt es in Europa deutliche Preisunterschiede
von UNSEREN KORRESPONDENTEN
Preiserhöhungen nach Einführung des Euro? Nein, da wäre man hier in der niederländischen Grenzregion bei Venlo ja schön blöd. „Damit würden wir uns doch das Wasser abgraben“, sagt ein Abteilungsleiter bei den „Zwei Brüdern von Venlo“. Schließlich profitiere nicht nur der an Rhein und Ruhr seit 40 Jahren bekannte Supermarkt vom täglichen Ansturm aus dem benachbarten Deutschland.
Eines der Argumente, mit denen die Politiker den zweifelnden Deutschen den Euro schmackhaft machen wollten, war: Mit der neuen Währung werden die Preise in ganz Euroland transparenter. Folge: Mit zunehmendem Wettbewerb würden die Preise sinken. Vorerst mussten die Deutschen mit der Einführung des Euro jedoch vor allem Preiserhöhungen hinnehmen. Gerade bei Alltagsartikeln, so das Statistische Bundesamt, haben die Händler die Preisumstellung mit Verteuerungen bis zu 0,5 Prozentpunkten verbunden. In drei Vierteln der beobachteten Fälle wurden Preise erhöht, nur bei einem Viertel gesenkt.
Sicher jedoch ist, dass die Verbraucher bei Reisen ins Ausland schneller als bisher feststellen können, welche Waren dort teurer oder billiger sind als zu Hause. Und tatsächlich gibt es in Euroland bei manchen Produkten bedeutende Preisunterschiede. So kostet eine Levi’s-Jeans in Italien rund 23 Euro (45 Mark) mehr als in den Niederlanden. Dennoch wird nach Ansicht von Verbraucherschützern die grenzüberschreitende Schnäppchenjagd kaum zunehmen. Hierfür seien die Wege für die meisten Eurolandbürger einfach zu weit. Allerdings könnten die Verbraucher die niedrigeren Preise in anderen Euroländern als Argument beim Feilschen zu Hause verwenden.
Selbst für die Bewohner von Grenzregionen wird sich wohl wenig ändern. Nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten lebt das niederländische Venlo von den Einkaufstouristen aus Duisburg, Krefeld oder Düsseldorf, die in der Grenzstadt Kaffee, Zigaretten, Fleisch, Käse in Mengen kaufen. Denn Kaffee ist hier im Schnitt um gut einen Euro billiger (500 Gramm Jacobs Krönung: 2,48 Euro / 4,85 Mark). Und wo man schon mal da ist, will partout nicht weiter auffallen, dass es bei den meisten Waren Preisunterschiede schon lange nicht mehr gibt.
Erste Forderungen nach Preissenkungen gab es dagegen kurz vor Weihnachten beim Benzin. Einer Studie zufolge verlangen die großen Ölgesellschaften in den Niederlanden vier Eurocent mehr pro Liter als in Deutschland. Trotz Ökosteuer fahren die Holländer deshalb zum Tanken nach „drüben“.
Teure Handys in Spanien
Dass die Einführung des Euro die Preise in der EU nicht allzu sehr in Bewegung setzten dürfte, hängt freilich auch damit zusammen, dass diese sich schon in den letzten Jahren immer mehr anglichen. Waren zu Beginn der Neunzigerjahre Elektrogeräte und Unterhaltungselektronik in Spanien restlos überteuert, liegen die Preise heute im europäischen Schnitt. Die Öffnung der Grenzen führte dazu, dass große Ketten aus Frankreich und Deutschland auch im letzen Winkel Spaniens ihre Filialen eröffneten. Und dort ihre Produkte so preisgünstig wie in ihren Heimatländern anboten. Die spanischen Kaufhausketten mussten nachziehen.
Lohnte es sich früher noch, Freunden Geld für den Einkauf nach Nordeuropa mitzugeben, so ist dies heute nichts weiter als Zeitverschwendung. Einzig Mobiltelefone sind immer noch bedeutend teurer, sofern es sich um ein Gerät handelt, das für alle Netzbetreiber offen ist. Diese werden in Spanien nämlich fast nie gekauft, und geringe Nachfrage erhöht eben den Preis.
Teure Milch in Italien
Und auch in Italien sind Handys ein teurer Spaß: Kein Betreiber käme auf die Idee, die Geräte wie etwa in Deutschland zu verschenken – auch bei Vertragsunterzeichnung ist der volle Preis fällig. Der Grund hierfür ist klar: Da die Italiener sich sowieso nicht vom Handygequassel abhalten lassen, werden sie auch nicht groß mit Billigtarifen gelockt. Der gleiche Festnetzanbieter, der in Deutschland ein Europagespräch mit gut 5 Cent (10 Pfennig) pro Minute berechnet, langt bei italienischen Kunden mit 21 Cent (41 Pfennig) hin.
Zur Kasse gebeten werden Italiener auch bei Milchprodukten: Der Liter kostet mit 1,19 Euro (2,33 Mark) doppelt so viel wie in Deutschland. Schadlos halten sich die Italiener beim Olivenöl: Keiner käme auf die Idee, für Unsummen kleine Fläschchen zu erwerben, da jeder seine ganz persönliche Bezugsquelle irgendwo auf dem Land hat.
Teure Bücher in Wien
Aus dem Urlaub in Italien bringen Herr und Frau Österreicher gerne Modekleidung mit. Denn wer wirklich nach dem Dernier Cri ausgestattet sein will, muss hier tief in die Tasche greifen. Leseratten decken sich mit Büchern gerne in Deutschland ein, denn für dieses „Kulturgut“ gilt dort ein geringerer Mehrwertsteuersatz. Das wird die österreichischen Buchhändler in Verlegenheit bringen, die der Kundschaft ab sofort erklären müssen, dass der Europreis, wie er auf dem Buchrücken steht, eben nicht der Endpreis ist. Essen und Trinken ist in dem Reiseland dagegen in einfachen Gasthäusern immer sehr günstig. In Wien kommt ein Gulasch mit Bier auf nicht einmal sieben Euro (13,70 Mark). Beim Chinesen kriegt man für 4,20 Euro (8,20 Mark) ein komplettes Menü samt Frühlingsrolle. Auch in Frühstückspensionen auf dem Land, wo viele Familien ihren Sommer- oder Schiurlaub verbringen, ist das Preis-Leistungs-Verhältnis ausgesprochen günstig. Die Reisebranche rechnet daher mit deutlichen Zuwächsen, wenn durch den Euro der direkte Vergleich mit anderen Ferienzielen möglich ist.
Teures Leben in Irland
Irland ist das einzige Euroland, in dem die Preise ab 1. Januar erheblich steigen werden – jedenfalls in absoluten Zahlen. Das irische Punt ist nämlich die einzige der zwölf Währungen, die höher als der Euro steht. Ein Punt ist 1,27 Euro wert. Wird das einen psychologischen Effekt auf die Kundschaft haben? „Manche Leute, die bisher 50 Punt für ihren wöchentlichen Einkauf ausgegeben haben, erwarten vielleicht, dass sie künftig mit 50 Euro auskommen“, meint Celine Newman, die Marketingmanagerin der Supermarktkette Superquinn.
Dabei scheint sich die Regierung vor allem um die halbe Million älterer Mitbürger zu sorgen, die von skrupellosen Händlern übers Ohr gehauen werden könnten. Eine 89-Jährige allerdings gab zu Protokoll: „Ich habe zwei Weltkriege überstanden, den Osteraufstand, den Unabhängigkeitskrieg, den Bürgerkrieg, den Wechsel von der britischen zur irischen Währung und vor 30 Jahren schließlich die Dezimalisierung der Währung. Warum sollte ich vor dem Euro Angst haben?“
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