: Wundervolle Melancholie
Charmantes Erwachsenenliedgut: Element of Crime im Docks ■ Von Barbara Schulz
Herrlich sperrige Worte, die dabei runtergehen wie, äh, Honig und Schmunzeln machen: „Sprache ist, das wissen wir, das allerhöchste Gut und ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg“, singt Sven Regener, Sänger von Element of Crime. Er tut das in dem Lied „Alle vier Minuten“, einem der vielen schönen, winterlich wie sonnig anmutenden Lieder auf Romantik, der neuesten Veröffentlichung der Berliner Band. Dass Regener das Spiel mit der Sprache ziemlich gut beherrscht, hat er nicht erst letztes Jahr mit seinem Roman-Erstling Herr Lehmann bewiesen: einem auch dank Hellmuth Karaseks Lobhudelei im inzwischen zu Grabe getragenen Literarischen Quartett völlig zu Recht zum mittleren Bestseller geratenen Buch über das Leben eines in Kneipen ausschenkenden Slackers und leidenschaftlichen Biertrinkers aus Bremen, der in den 80ern in Berlin lebt und dort im Jahre 1989 die, äh, „Wende“ erlebt. Sondern auch auf den mittlerweile zehn Tonträgern von und mit Element of Crime, der Band, die sich nach einem Film von Lars von Trier benannte und so wundervoll melancholische (oftmals Liebes-) Lieder unvergleichlich charmant und rauh zu vertonen weiß.
Nach der Gründung 1985 in Berlin veröffentlichten Element of Crime – neben Regener (Gesang, Gitarre, Trompete) anfangs noch Jakob Friderichs (Gitarre), Paul Lukas (Bass), Jürgen Fabritius (Saxophon) und Uwe Bauer (Schlagzeug) – ihr erstes Album Basically Sad auf dem Düsseldorfer Label Ata Tak und galten, damals mit englischsprachigem Liedgut, als Geheimtipp – was ja leider auch immer bedeutet, dass die Kunst zwar geschätzt wird, aber kaum zum Leben reicht, was dann auch den Saxophonisten seinen Hut nehmen ließ.
Glücklicherweise wurde dem 1987 eingespielten Nachfolger Try To Be Mensch mehr Erfolg zuteil, was vor allem daran lag, dass die Band inzwischen bei einem Major-label veröffentlichte und so genug Geld im Rücken hatte, um einen Produzenten wie John Cale ins Boot zu holen. Auf der ersten großen Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz wurde die Band dann auch frenetisch gefeiert.
1989 entschlossen sich Element of Crime, zum ersten Mal ein deutsch gesungenes Lied auf Platte zu packen und im Jahr 1991 erschien mit Damals hinterm Mond der erste gänzlich deutschsprachige Tonträger der Band; zugleich begann man, mit Streicher- und Akkordeonklängen zu arbeiten. Weitere Stationen kurz heruntergerappelt: 1992 als Vorgruppe von Herbert Grönemeyer, 1993 Erfolg mit Weißes Papier, danach jeweils ein Album pro Jahr, der Ur-Bassist steigt aus; die Band wird zwischendurch zur Big Band, findet aber 1996 mit der kargen Platte Die schönen Rosen zu ihren Anfängen zurück. 1998 nehmen Element of Crime erstmals in den Studios der Krautrocker Can in Weilerswist auf (dort wurden auch einige Stücke für Romantik eingespielt) und covern „Accordéon“, eine Art französische Hymne, die in den 60er Jahren durch die deutschsprachige Version der großartigen Schlagersängerin Alexandra zu Berühmtheit gelangte. 1999 kommt Psycho heraus und Element of Crime touren mit ihren Hamburger Brüdern im Geiste Fink. Im Jahr 2000 dann schreiben sie Lieder für den befreundeten Regisseur Leander Haußmann für seine Peter Pan-Inszenierung. Und dann kommt Mitte 2000 eben Herr Lehmann heraus und im Spätherbst Romantik.
Inzwischen besteht die Band fest aus sechs Mitgliedern; neben Regener noch Jakob Ilja (Gitarre), Chris-tian Hartje (Bass), Richard Pappik (Schlagzeug), David Young (Live-Gitarrist und Haus-Produzent der Band) und Klemens Schwabe (kümmert sich um das richtige Bühnenlicht und gehört fest dazu) sowie diverse GastmusikerInnen (auch das Filmorchester Babelsberg war bei zwei Stücken dabei). Seit ihrer Veröffentlichung tauchte Romantik einerseits als Geschenktipp in diversen Magazinen auf und wurde andererseits von Martin Büsser im Popmagazin Intro als „Deutschtümelei“ verrissen.
Regener robbte sich auf Herr Lehmann-Mission durch diverse Talkshows und reiste lesend durch die Lande. Im vergangenen November offenbarte er im hiesigen Schlachthof, dickbebrillt und Bier trinkend, dass er selbst ja eigentlich noch nie auf einer Lesung gewesen sei und auch nicht sagen könne, ob er als Zuschauer nun zu seiner eigenen gekommen wäre.
Fans, welche die Bitte „Spiel uns Musik!“ artikulierten, wies er da-rauf hin, dass er Musik und Schriftstellerei streng zu trennen gedenke, las sich heiter-nervös durch ein paar Kapitel und hatte das Publikum schnell um den Finger gewi-ckelt. Als er sich zwischendurch verhedderte, bat er mit den Worten „das ist gar nicht so einfach zu lesen, ohne zu lachen!“ um Nachsicht und ließ das Publikum erst nach mehreren Zugaben fröhlich-betört zurück. Nun plant er Fortsetzungsromane („Es ist seltsam, es gibt so viele deutsche Romane, und nie spielt einer in Bremen. Da muss einfach noch mehr gehen!“ sagte er kürzlich in einem Interview), will aber natürlich auch weiter musizieren.
Was die vielen Fans, die die Homepage der Band unter der Rubrik „Das längste Interview der Welt“ mit tausenden großen und kleinen Fragen verwüsten dürfen, sehr freuen dürfte. Genauso wie die Tatsache, dass Element of Crime am Mittwoch im Docks ihre große Tournee beginnen, zu der sicherlich auch viele Menschen kommen dürften, welche die Musik der Band bisher gar nicht kennen. Und sich danach mit dem witzigsten, ohrwurmigsten Lied von Romantik, nämlich dem Titel „Bring den Vorschlaghammer mit“, auf den Lippen auf den Heimweg begeben werden.
Oder gar so sehr infiziert werden wie jener Fan, der immer davon geträumt hatte, eine Nacht lang mit einem Yellow Cab durch New York zu fahren, sein Glück aber schließlich darin gefunden hat, auf seinem Mofa durchs örtliche Neubauviertel zu flitzen und dabei auf seinem Walkman Romantik anzuhören. Wie romantisch, wie altmodisch (Mofa! Walkman!) und wie schön.
Mittwoch, 21 Uhr, Docks
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