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Die Heiligen Drei Räuber

Lebkuchen, tote Sprayer und liebevoll ausschraffierte Sternchen als Warnung für Landmenschen, die das Böse nicht kennen: Auch wir in Berlin wollen wissen, was es mit diesem katholischen Feiertag auf sich hat. Ein Erfahrungsbericht

Auf dem Land kann man die Landzeitung lesen. Heute steht darin, dass gestern, weit weg in der großen Stadt, zwei Graffiti-Sprayer vom Regionalexpress München–Salzburg überfahren wurden. Damit der Landmensch das auch versteht, hat der Landzeitungsgrafiker einen Lageplan erstellt: Auf dem ist eine Wand abgebildet, mit einem Kreuz daneben, das den ursprünglichen Standort der Graffiti-Sprayer kennzeichnen soll. Davon wegführend eine gestrichelte Linie, die den Fluchtweg der Sprayer beschreibt und die auf einem dick gezeichneten Schienenstrang endet.

An dieser Stelle dann ein zweites Kreuz, das den allerletzten Standort der beiden markiert. Den Fluchtweg kreuzt übrigens ein zweiter Schienenstrang, der kurz danach über eine angedeutete Weiche sowohl auf den ersten trifft als auch auf das zweite Kreuz. Dieses Zusammentreffen wird durch ein großes und liebevoll ausschraffiertes Sternchen symbolisiert. Dazu der passende Text: „An dieser Stelle starben die beiden Graffiti-Sprayer Christoph H. (17) und Albert B. (21) im Angesicht von dem mit 100 km/h heranrasenden Regionalexpress München–Salzburg.“ „Wieso? Wie hat jetzt das dennoch passieren können?“, fragt sich nun der aufmerksame Landmensch, und: „Was ist nachert überhaupt ein Graffiti-Sprayer?“

Ein Graffiti-Sprayer, lieber Landmensch, ist ein jugendlicher Unhold, der fremde Wände unerlaubt und heimlich mit Farbe bekleckert, weshalb der Landzeitungsgrafiker sein schönes Bild auch mit einer Wand begonnen hat. „Nachert geschieht’s ihm recht“, antwortest du, Landmensch, „ein Glück und Maria sei Dank und dem heiligen Brunzel und Herrgottsakra, dass es so etwas bei uns nicht gibt nicht!“ Gibt es aber doch: Auf fast jede Haustür haben Strolche merkwürdige Zeichen geschmiert – mit Kreide, das geht total schlecht wieder ab: „20 + C + M + B + 01“ – das bedeutet „20-teiliges Café-Service und mittags keiner zu Hause und Bargeld“, wobei 01 der Code für „reichlich vorhanden“ ist. Das alles, um zukünftige Einbrecherkollegen zu informieren, falls denn der eigene Versuch fehlschlagen sollte. Und so spielt es sich in der Regel ab: Die Strolche kommen immer zu dritt und am liebsten Anfang Januar, denn da wird es früh dunkel. Sie sind stets vermummt und geben sich, um die bekannt ressentimentbehaftete Polizei auf die falsche Fährte zu locken, als goldkettchenbehängte oder farbige Ausländer aus, als – der Gipfel der Dreistigkeit – „Könige aus dem Morgenland“.

Sobald ihnen der gutgläubige Landmensch öffnet („Grüß Gott – was wollt’s jetzt nachert ehs?“), beginnen sie mit der Arbeit: Alle drei lenken den Landmenschen mit betäubend schlechtem Gesang ab, während einer ins Innere des Hauses späht, um die Gewohnheiten, und der Zweite unter einem wirren Vorwand um Mandarinen und Lebkuchen bettelt, um die Finanzkraft des potenziellen Opfers auszuloten.

Der Dritte steht Schmiere, und nichts als Schmiererei ist es auch, was die Gauner mit höchster krimineller Energie über die Tür kritzeln, kaum dass sie sich wieder vor ihnen geschlossen hat. Sie nennen sich „Sternsinger“ und sind doch Halunken. Sie nennen es „Dreikönigstag“ und dabei ist es Nötigung, Hausfriedensbruch und versuchter Einbruchsdiebstahl.

Wenige Tage darauf wird dann um die Mittagszeit wirklich eingebrochen, und danach fehlt mehr als nur Lebkuchen und Mandarinen, nämlich reichlich Bargeld und das 20-teilige Café-Service. Auch darüber können die anderen Landmenschen am nächsten Morgen in der Landzeitung lesen, und manchmal gibt es sogar einen Lageplan.

ULI HANNEMANN

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