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Die neuen Leiden der ambitionierten Dokufilmer

Fernsehkritiker meinen schon, sie hätten ein hartes Los. Noch schlimmer aber geht es denen, die anspruchsvolles Fernsehen machen

BERLIN taz ■ Medienredakteure können kaum noch zum Fenster rausschauen. Zu hoch sind auf ihren Schreibtischen die Berge von Videokassetten angewachsen, mit denen sie von den Presseabteilungen der Sender – privater und öffentlich-rechtlicher – eingedeckt werden. Schließlich sollen die Damen und Herren Kritiker die neuen Produktionen bereits vorab besprechen, als Service für Zuschauer und Sender.

Ein nicht geringer Teil der Kassetten jedoch ist bespielt mit Schmonzetten, deren filmische Ausstattung meist aus einem Arrangement diverser Designerartikel besteht, deren Marken stets gut erkennbar ins Bild gerückt sind. Hart, aber wahr: Es handelt sich vielfach um Filmproduktionen, für die selbst der gnadenloseste Kritikerverriss noch zu viel der Ehre wäre.

In rauen Mengen werden in die Zeitungsstuben zusätzlich noch jene nach ewig gleichem Muster gefertigten Dokumentarfilme versandt, die Sendeverantwortliche offenbar für Renommierstücke halten. Das ZDF wartet gern mit Guido Knopps generalstabsmäßig gefertigten Werken auf. Genau: die mit den knackig-kurzen Zeitzeugenzitaten, aufgenommen vor schwarzer Wand, in denen vor allem Mitläufer im Nationalsozialismus oft und gern bekennen, wie wenig sie gewusst haben und welch ausgiebiger Befehlsnotstand herrschte – von „Hitlers Helfer“ bis zu „Hitlers Frauen“.

Geheimhaltungspolitik

Oberflächlich betrachtet, funktioniert die Pressearbeit der Sender also hervorragend. Mangelware sind allerdings anspruchsvolle Dokumentarfilme, von ambitionierten Fernsehjournalisten sachkundig recherchiert, kunstvoll mit eigener Handschrift und bisweilen mit provokativer These versehen – Dokumentationen zu Themen wie Globalisierung oder Mobbing. Jene seltenen TV-Sternstunden ereignen sich meist erst, wenn die Sterne längst am Himmel prangen, und müssen wohl unter eine Art Geheimhaltungspolitik fallen.

Auch hintergründige Reportagen über Zivilisten, die im Jugoslawienkrieg von amerikanischen Bomben getroffen wurden und noch immer an diesen „Kollateralschäden“ leiden, sind nicht immer einfach zu bekommen. Ergo beginnt die Arbeit der Fernsehkritiker damit, in Programmzeitschriften nach Nischenprogrammen zu fahnden, Namen bekannter Fernsehautoren herauszufiltern und Sendungen mit politisch und kulturell spannenden Themen bereits am Titel zu erkennen.

Doch dann beginnt erst die eigentliche Herausforderung: Kassette beim Sender bestellen. Beim ZDF etwa greift ein absurdes System künstlicher Verteuerung: Redaktionen, die Videos von ihrer Sendung gezogen haben wollen, müssen pro Kassette 350 Mark zahlen. Das drückt natürlich mächtig auf den Redaktionsetat. Ein gestresster Dokumentarfilmer, der nicht genannt werden will, berichtet, er hole neuerdings das von ihm an Pressevertreter vor Ort versandte Anschauungsmaterial persönlich wieder ab, um es mehrfach nutzen zu können und um nicht noch mehr Kosten zu verursachen. Motto: Der Sender spart, der freie Mitarbeiter rotiert.

Zuweilen scheint es, als seien die freien Dokumentarfilmer und einzelne engagierte Redakteure die einzigen, die noch ein Interesse daran haben, Qualitätsfernsehen der Öffentlichkeit vorzustellen. In den Sendern hingegen wird mehr und mehr bürokratisch verwaltet, es greift ein System von Profitorientierung und Kapitalisierung, das kontraproduktiv für einen kreativen Arbeitsprozess ist.

Thomas Frickel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e. V. (a. g. dok.), glaubt, dass dies System hat. Nicht nur, dass die Honorierung von freien Dokumentarfilmern immer karger ausfalle. Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit werde zunehmend gespart. Und im Nachhinein behaupten die Programmverantwortlichen: „Ihr bringt die Quoten nicht.“ So könne man einen ganzen Bereich zur Erfolglosigkeit verdammen. Dabei geht es auch anders: Bei Arte sorgt ein engagiertes Team dafür, dass brisante Dokumentationen entsprechend gewürdigt werden können. Doch das ist eine rühmliche Ausnahme.

„Bäckerblume“-Niveau

Auch der Dokumentarfilmer Malte Rauch stellt fest, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Auftrag, die Grundversorgung an Information und politischer Bildung zu leisten, immer weniger nachkommen. „Tagesthemen“-Beiträge entwickelten sich zum Verlautbarungsjournalismus à la Bäckerblume, klagt er. Bei freien Dokumentarfilmern herrsche Unmut: Kritische Berichterstattung sei immer weniger gefragt. „In Kollegenkreisen ist die Klage zu vernehmen, dass freie Journalisten wie Leibeigene gehandelt werden“, berichtet er. Doch kaum einer wage offene Kritik – aus Angst, keine Aufträge mehr zu bekommen. Die Folge ist ein Trend zu mehr seriell gefertigten Stücken, Dokumentarfilmreihen, in denen alle Filme möglichst gleichförmig sein sollen. Immerhin: Die Öffentlichkeitsarbeit macht sich so mit links. Nur die Zuschauer werden wohl irgendwann nicht mehr einschalten. GITTA DÜPERTHAL

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