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Skepsis statt Euroeuphorie

Der Euroeinführung stehen viele Serben mit Misstrauen gegenüber. Vor allem die Rentner klammern sich, so vorhanden, an ihre paar Mark. Experten befürchten Jahrhundertgeschäft für Geldwäscher

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

„Was soll denn das sein?“, wundert sich ein Verkäufer in einem Laden im Zentrum Belgrads, als ein Kunde versucht mit dem Euro zu bezahlen. Neugierig und mit einer gewissen Abneigung starrt er die wildfremde, bunte Währung an. Beim ihm könne man mit der guten alten deutschen Mark bezahlen, meint er mürrisch und natürlich mit dem einheimischen Dinar, jedoch nicht mit diesen „komischen“ Scheinen.

Man weiß zwar, dass die Tage der geliebten Mark gezählt sind, doch von einer Euroeuphorie ist in Serbien nichts zu spüren. Bei all den Problemen im Transitionsland ist für die Medien die neue europäische Währung ein zweitrangiges Thema. Die meisten Menschen sind misstrauisch, ungenügend informiert und fragen sich, ob sie lieber ihre im Strohsack versteckten Mark in Dollar oder Schweizer Franken umtauschen sollen.

Zeit für den Umtausch gebe es bis Juni, bestimmte rücksichtsvoll die Notenbank. Mit der verlängerten Frist sollen der „Währungsschock“ gemindert und die Bürger besser informiert werden.

Neben Geschäftsleuten das größte Interesse für den Euro zeigen die stets besorgten, seit einem Jahrzehnt sozial ruinierten serbischen Rentner. Unter dem Regime von Slobodan Milošević gewohnt für Brot, Speiseöl oder Waschpulver Schlange stehen zu müssen, drängten sich auch in den vergangenen Tagen vorwiegend ältere Menschen vor einigen Wechselstuben in Belgrad.

„Natürlich bin ich beunruhigt“, sagt die Rentnerin Danića Cosić. Bei den „unwürdigen“ Renten, nach all den wilden Inflationen, sei die Mark in Serbien zum Symbol der Sicherheit geworden. Ein paar Mark in der Tasche zu haben, machte oft den Unterschied, ob man essen oder hungern würde. „Und jetzt sagen sie mir, meine Mark werden ungültig, ich müsste mich für eine neue Valuta entscheiden“, meint sie seufzend.

Bei dem seit einem Jahrzehnt instabilen Dinar hat sich die deutsche Währung als einheimisches Zahlungsmittel in Serbien eingebürgert. Mit der Mark kann man überall bezahlen, selbst Zeitungen oder Zigaretten kaufen, die Preise für viele Produkte sind heute noch in Mark ausgeschrieben. Eine solch leidenschaftliche Sehnsucht nach Mark wie sie manche Bürger Serbiens empfinden, ist wohl nur mit dem Verhältnis vieler älterer Deutscher zur Mark zu vergleichen, für die die Mark zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg geworden ist.

„Der Euro, die neue DM Europas“, so wirbt die serbische Regierung für die neue europäische Währung, und hofft, dass gerade durch den Euro Serbien ein Teil des intergrierten europäischen Markts werden könnte.

Die deutsche Bundesbank geht davon aus, dass sich in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien rund neun Milliarden Mark befinden. In Serbien sind über 2.500 Wechselstuben für den Übergang auf den Euro gerüstet. Die Provision für den Tausch in Euro von 0,9 Prozent kann man umgehen, indem man sein Geld in Banken anlegt. Nach der jahrelangen wilden Inflation hat die Bevölkerung jedoch völlig das Vertrauen in einheimische Banken verloren.

Erst recht, nachdem der junge, energische Notenbankgouverneur Mladjen Dinkić gerade nach der Einführung des Euro die vier größten serbischen Banken – „Belgrader Bank“, „Investbank“, „Jugobank“ und „Beobank“ – in den ersten Tagen des neuen Jahres kurzerhand für bankrott erklärte. Diese Banken hätten über vier Milliarden Euro Schulden, erklärte Dinkić, niemand wolle sie kaufen und alle Sanierungsversuche seien gescheitert. Die rund 45.000 Kunden dieser Banken könnten allerdings bei der Postbank ihr Geld abheben. Das trieb viele Menschen geradezu in ausländische Banken, allen voran in die für das „große Umtauschgeschäft“ bestens vorbereitete „Raiffeisenbank“. Nach dem Konkurs der vier großen Banken befürchten die übrigen einheimischen Banken, dass der Zuschuss von Devisen wegen des neuerlichen Misstrauens der Bürger in das Banksystem weit unter dem erwarteten Niveu ausfallen könnte.

Für den Arzt Milutin Erić bedeutet das nur eines: Zwar wird er seine 5.000 Mark in Euro und nicht in Dollar umtauschen, doch das Cash bei sich behalten. Diese „Sicherheit“ sei ihm die Provision wert.

Man befürchtet, dass der Übergang zum Euro auf dem Balkan für Geldwäscher das „Geschäft des Jahrhunderts“ werden könnte. In Serbien kann man bis zu 20.000 Mark ohne weiteres in Euro umtauschen, wenn man größere Summen in einer Bank anlegt, werden nicht all zu viele Fragen gestellt. Der Staat braucht frisches Geld.

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