: Deutsche Börse AG kassiert Bußgelder
Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre: Strafen treffen nicht die Unternehmensführung, sondern die Aktionäre
Die stattliche Summe von rund 930.000 Euro hat die Deutsche Börse AG im vergangenen Jahr an Bußgeldern über Unternehmen am Neuen Markt verhängt. Mit finanziellen Sanktionen bis zu 100.000 Euro werden seit letztem Mai jene börsennotierten Unternehmen belegt, die ihre Jahresabschlüsse oder Quartalsberichte nicht rechtzeitig vorlegen. Auf hohe Strafen müssen sich auch Unternehmen einstellen, die Aktienkäufe oder -verkäufe der Unternehmensführung und -aufsicht nicht innerhalb von 3 Tagen nach der Transaktion melden, pro verspäteten Tag werden 500 Euro fällig. Wegen solcher verspäteter Meldungen wurde beispielsweise die Rösch AG im Oktober mit einem Bußgeld von 30.000 Euro belegt, die Winter AG musste 3.000 Euro zahlen. Das geht aus einer Bußgeldliste hervor, die die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) veröffentlicht hat.
Die höchste Strafe wegen verspäteter Jahresabschlüsse hatte das Softwareunternehmen CAA AG mit 100.000 Euro zu zahlen, gefolgt von der Softwarefirma Lipro AG und der Softmatic AG mit je 80.000 Euro sowie der Fame AG mit 60.000 Euro. Die Unternehmen ArtStor AG, Team Comm. Inc, Adva AG, Prodacta AG und EM.TV AG mussten immerhin noch 50.000 Euro zahlen. EM.TV übrigens taucht in der Bußgeldliste mit weiteren 60.000 Euro wegen eines verspäteten Quartalsberichts auf. Insgesamt umfasst die Liste zurzeit 27 Unternehmen des Neuen Markts mit Summen zwischen 1.000 und 100.000 Euro.
Die Liste lese sich wie ein „Who’s who“ der schwarzen Schafe am Neuen Markt, kommentiert die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Hier begrüßt man ausdrücklich die Bemühungen der Deutschen Börse, die „am Neuen Markt versprochene Kapitalmarkttransparenz auch konsequent einzufordern“. Anleger hätten „ein Recht darauf, so früh wie möglich zu erfahren, was sich in ihrem Unternehmen abspielt“.
Allerdings kritisiert man vehement, dass die Strafen letztlich nicht die Verursacher treffen: „Wenn Vorstände ihre Geschäftsabschlüsse oder Aufsichtsräte ihren Aktienverkauf nicht rechtzeitig melden, werden sie nicht persönlich zur Kasse gebeten, sondern ihre Aktiengesellschaft.“ Das Bußgeld gehe als Kosten in die Gewinn-und-Verlust-Rechnung ein und mindere das Konzernergebnis, die Dividende und den Aktienkurs. Folge: „Die durch zu späte Informationen geschädigten Aktionäre müssen noch einmal bluten.“ Und gerade bei den am höchsten bestraften Unternehmen hätten „sich die verursachenden Vorstände dieser Strafe durch frühzeitige Aktienverkäufe auch noch entzogen“, bemängelt man bei der Schutzgemeinschaft. Ihre Forderung: „Gerecht und auch wirkungsvoller ist Bestrafung deshalb nur, wenn sie die Verursacher direkt trifft.“
Problematisch sei zudem die Verwendung der Bußgelderlöse. Sie flössen nicht den geschädigten Aktionären zu. Während die Deutsche Börse AG also an einem seriösen und gesetzestreuen Unternehmen für die Zulassung und den Handel am Neuen Markt lediglich eine Jahresgebühr von 7.500 Euro verdiene, füllten andere die Kassen – und steigerten die Bilanz. „Je schlechter die Unternehmensqualität am Neuen Markt, desto kräftiger sprudeln die Strafen und somit auch die Gewinne der Deutschen Börse AG“, kommentiert die Schutzgemeinschaft. Deshalb sollten Erlöse aus Strafen nicht der Börse AG selbst zufließen, sondern beispielsweise Institutionen, die sich für die Interessen der Kleinaktionäre einsetzen. Kurzum: Zufrieden wäre die SdK dann, wenn „die Kosten der Strafaktionen die Richtigen treffen und mit den Erlösen etwas für die Geschädigten getan wird“.
Die SdK will nunmehr monatlich die verhängten Strafen nennen „und so einen Beitrag zur Transparenz leisten“. ALO
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