Die Abschiebungs-Maschine steht bereit

■ Bei den so genannten falschen Libanesen nimmt das Innenressort keine Rücksicht auf Familien: Kranke Mutter soll ihre Kinder mit dem Vater ziehen lassen – oder trotz Attest mitreisen

Zeinap El-Zein konnte gestern nicht aufhören zu weinen. Immer wieder tupfte sie sich mit einem zusammengeknüllten Papiertaschentuch das Gesicht ab. Ihre Eltern und acht Geschwister sollen heute in die Türkei abgeschoben werden. Dabei schwört die kurdische Familie, aus dem Libanon zu stammen (taz berichtete). Von dort flohen sie 1988 vor dem Bürgerkrieg – über die Türkei und mit gekauften türkischen Papieren, weil sie als Kurden im Libanon keine Pässe bekamen. Das wurde ihnen zum Verhängnis: Seit der damalige Innensenator Bernt Schulte (CDU) vor zwei Jahren verkündete, er habe 500 ausreisepflichtige „falsche Libanesen“ ermitteln lassen, heißt die Familie für die Behörden „Çulum“ und gilt als Türken.

Inzwischen bestätigte das türkische Generalkonsulat in Hannover, unter diesem Namen sei die Familie in der Türkei registriert, und stellte Passersatzpapiere für die Einreise in die Türkei aus. Damit wären die formellen Voraussetzungen für die Abschiebung der zehnköpfigen Familie geschaffen. Aber die Mutter Nebiha ist schwer krank, musste sich kurz vor Weihnachten einer Unterleibsoperation unterziehen. Ihr Hausarzt hat ihr Transportunfähigkeit bis zum 31. Januar attestiert. Aber bis dahin wären die Passersatzpapiere nicht gültig. Sie laufen am 13. Januar ab. Die Innenbehörde will deshalb die Familie trotzdem heute abschieben – zur Not auch getrennt. Der Mutter wurde gestern angeboten, sie könne bis zur Genesung in Bremen bleiben. Vater Nezir soll mit den Kindern im Alter von acht bis 23 Jahren reisen. Wenn die Mutter die Trennung von der Familie vermeiden wolle, müsse sie mitreisen, so die Auskunft der Ausländerbehörde. In diesem Falle sei man bereit, einen Arzt bis Istanbul mitreisen zu lassen. Ab da müsste sich die Frau, die kein Wort türkisch spricht, dann selbst um ärztliche Versorgung kümmern.

Gestern gab es für die Mittfünfzigerin noch einen Schock: Morgens um kurz vor sechs stand die Polizei vor der Tür und wollte ihren Sohn Ata (23) festnehmen. Die psychisch labile Mutter erlitt einen Nervenzusammenbruch, liegt seitdem nur noch apathisch auf dem Sofa. Ata El-Zein fand die Polizei schließlich in der gemeinsamen Wohnung mit seiner Frau Zeinap Mehri. Morgens um sechs wurde er aus dem Bett heraus verhaftet und in Abschiebegewahrsam genommen. Ihm blieb nicht einmal die Zeit, etwas Kleidung zum Wechseln mitzunehmen. Wird Ata heute abgeschoben, wird damit eine weitere Familie getrennt: Mit seiner Frau hat er zwei Kinder im Alter von zwei und vier Jahren. Zeinap Mehri hat eine Aufenthaltsbefugnis und erwartet jederzeit ihre Einbürgerung. Ihrem Mann nützt das nichts, weil die Ehe nicht vor den deutschen Behörden formalisiert wurde. Ata El-Zein konnte keine Geburtsurkunde vorlegen.

Innensenator Kuno Böse (CDU) sagte gestern, der Schutz der Familie stehe der Abschiebung nicht entgegen, da die „Fortführung der Lebensgemeinschaft in der Türkei zumutbar“ sei – auch wenn Zeinap Mehri zweifelsfrei Libanesin ist und Aufenthaltsrecht in Deutschland genießt. Diese Rechtsauffassung habe das Verwaltungsgericht gestern bestätigt. Für die Entscheidung der Behörde habe auch eine Rolle gespielt, dass Ata El-Zein mehrfach straffällig geworden sei. Auch die Trennung der kranken Mutter von Mann und Kindern verteidigte Böse. Sie sei zeitlich begrenzt, weitere erwachsene Kinder, die noch nicht abgeschoben werden, könnten die Betreuung ihrer Mutter übernehmen. Jan Kahlcke