herr tietz macht einen weiten einwurf: FRITZ TIETZ über die Benamung von Sporthallen
Nichts als Schall und Rauch
Die Frage, warum Fußballstadien nicht nach Frauen benannt werden, meinte Bundespräsident Johannes Rau einmal eher launig so abkanzeln zu müssen: „Wie soll das denn dann heißen? Ernst-Kuzorra-seine-Frau-ihr-Stadion?“ Doch nicht nur Fußballplätze werden nicht nach Frauen benannt. Auch andere Sporteinrichtungen erhalten selten den Namen einer Frau. Noch seltener wird allerdings eine Sportstätte nach einer Frau mit Doppelnamen benannt. Genau das ist jetzt aber geschehen. Letztes Wochenende wurde in Erfurt die „Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle“ eröffnet. Eine Eissporthalle, benannt nach der gleichnamigen ostdeutschen Eisschnellläuferin.
Gold-Gunda, wie sie auch genannt wird (und was ebenfalls kein schlechter Hallenname wäre), empfindet das zwar als „große Ehre“. Anderseits sei es aber „ein komisches Gefühl, wenn man seinen eigenen Namen an einer so riesigen Sportstätte sieht“. Schließlich sehe sie sich nur „als Vertreterin eines Kollektivs, das den Eisschnelllauf-Sport nach Erfurt brachte. Das waren unsere Trainerin Gabi Fuß und wir drei Sportlerinnen: Constanze Moser-Scandalo, Heike Warnike-Schalling und ich. Die Halle“, so räumt Gunda Niemann-Stirnemann genügsam ein, „könnte also auch Gabi-Fuß-Halle heißen.“ Auch Heike-Warnike-Schalling- oder – und das wäre aus dieser sensationellen Doppelnamenklatura ganz klar mein Favorit – Constanze-Moser-Scandalo-Halle.
Abgesehen davon, dass mit Gunda Niemann-Stirnemann überhaupt mal eine Frau bedacht wurde (und obendrein eine mit einem immerhin noch so spektakulären Doppelnamen, dass manche evangelische Pfarrerin einiges dafür geben würde, ihn führen zu dürfen), überrascht das niedrige Alter dieser Namenspenderin. Wie es überhaupt erstaunlich ist, dass es eine noch ziemlich quietschlebendige Person ist, die auf diese Weise in die vorzeitige Klassizität erhoben wird. Für gewöhnlich werden mit der Sportstättenbenamung, wenn denn überhaupt, nämlich ausschließlich Persönlichkeiten beehrt, die den Großteil ihres Lebens schon hinter sich gebracht haben; das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern oder die Berliner Max-Schmeling-Halle sind dafür die bekanntesten Beispiele, nicht zu vergessen auch die Max-Schmeling-Großwasserrutsche von Hollenstedt in der Nordheide.
So jung aber wie unsere 35-jährige Eisschnellläuferin, ist noch niemand zum Namenspender gemacht geworden. Eine möglicherweise riskante Entscheidung. Schließlich wird Gunda Niemann-Stirnemann, das jedenfalls wollen wir ihr wünschen, noch einige Jahrzehnte leben. Hat sie damit aber nicht auch, wie man im Sport so sagt, noch alle Zeit der Welt, ihr bisher tadelloses Renommee gründlich zu versauen und damit womöglich auch den Ruf der Eissporthalle?
Man weiß doch, wie schnell das gerade Sportlern passieren kann. Eine regelwidrig benutzte Zahnpasta reicht mitunter schon aus. Von sonstigem Ungemach ganz zu schweigen: Ein durch die Badezimmertür hindurch erschossener Ehepartner, eine im Alkoholrausch angezettelte Schlägerei mit anschließender Haftstrafe, der unmäßige Kokainkonsum, die Konvertierung zum Islam samt aktiver Unterstützung des weltweiten Terrorismus, der folgenschwere Quickie in der Wäschekammer – die Liste der Fehltritte, die Sportlern den guten Ruf kosteten, ist lang genug.
Und auch dieser Einwand spricht gegen den Erfurter Hallennamen: Da Frau Niemann-Stirnemann guter Hoffnung ist („es muss im Höhentrainingslager in den Pyrenäen passiert sein“), bestreitet sie in dieser Saison keine Wettkämpfe, wird aber für das ZDF vom Eisschnelllauf berichten. Das aber könnte insofern seltsam werden, wenn es etwa anlässlich einer Übertragung aus der Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle heißt: „Aus der Gunda-Nieman-Stirnemann-Halle meldet sich Gunda Niemann-Stirnemann.“
Auch so gesehen wäre Constanze-Moser-Scandalo-Halle der geeignetere Name.
Fotohinweis:Fritz Tietz, 43, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.
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