piwik no script img

EZB vergisst Eurowerbung auf Türkisch

Um die Gunst von 300 Millionen Menschen wurde geworben, damit sie dem Euro vertrauen. Doch die türkische Community liebt weiter die Mark. Eine Broschüre auf Türkisch war im 20-Millionen-Etat der Zentralbank wohl nicht drin

FRANKFURT taz ■ Der Euro ist da, doch die türkischstämmigen Bürger in Deutschland hängen genau wie die Menschen in der Türkei weiter an der D-Mark. Nach neuesten Umfragen in der Türkei bringen weder die türkische Bevölkerung noch die Deutschtürken dem Euro das nötige Vertrauen entgegen. Der Grund hierfür liegt für den Frankfurter Finanzexperten Hulisi Bayam in der unzureichenden Aufklärung. „Im Grunde wird die türkische Community in Deutschland, die teilweise ein sprachliches Problem hat, in Sachen Euro nicht ernst genommen. Immerhin erwirtschaften die privaten Haushalte der Türken ohne die 60.000 Unternehmer rund 29 Milliarden Mark und sparen zudem rund neun Milliarden Mark im Jahr. Aber was passiert mit diesen Geldern, wenn kein Vertrauen geschaffen wird?“ Um jedoch Vertrauen in die neue Währung zu schaffen, hätte gerade die Europäische Zentralbank (EZB), so Bayam, eine einheitliche und bundesweite türkischsprachige Broschüre herausgeben sollen.

Weil die türkische Lira durch die chronische Inflation ständig an Wert verliert, wird in der Türkei neben dem Dollar in die Mark investiert. Schon die ersten „Gastarbeiter“ brachten in den 60ern die Mark bis in die entlegensten Winkel der Türkei. Laut türkischer Zentralbank lagerten voriges Jahr 21,6 Milliarden Mark auf Devisenkonten. Von dieser Summe geht auch die EZB aus. Doch Experten zufolge kursiert rund die Hälfte der fast 60 Milliarden Mark im Ausland in der Türkei. Wie viele Mark in Sparstrümpfen lagern, ist ungewiss.

Auf lokaler Ebene gibt es bereits einige Eurobroschüren auf Türkisch. Zu den wenigen Herausgebern gehören die Landeszentralbank NRW – ein Poster mit Münzen in 16 Sprachen –, die IHK Bochum mit einer 28-seitigen Broschüre und der Bundesverband deutscher Banken in Berlin mit einer informativen 19-seitigen Broschüre, die inzwischen vergriffen ist. Auch das Zentrum für Migration und Interkulturelle Studien in Ahlen schaltete zum Thema Euro eine kostenlose Telefonhotline auf Türkisch. Verstreute Aktivitäten, wie Bayam kritisiert. Sein Anliegen sei die Sicherheit und das notwendige Vertrauen in die neue Geldwährung: „Das bedeutet, die Sicherheitsmerkmale müssen greifen, Blüten dürfen nicht in Umlauf gelangen und Menschen müssen so weit aufgeklärt sein, dass der echte Euro vom falschen sofort unterschieden werden kann.“

Insgesamt 20 Millionen Euro hat die EZB für die Eurowerbung ausgegeben. Die meisten Informationen erreichen aber weder türkische Privatkunden noch Unternehmer. Die Mannheimer Moschee besorgte sich über das Europäische Informationszentrum in Straßburg türkischsprachige Infoblätter zum Euro. Die EZB behauptet zwar, dass sie mit der türkischen Zentralbank eine CD-ROM angefertigt habe. Doch ist es fraglich, wie viele Menschen in der Türkei oder die erste Generation der Deutschtürken das digitale Medium beherrschen, wenn viele nicht lesen und schreiben können. Auf den Internetseiten der türkischen Regierung findet sich tatsächlich eine gut durchdachte Info-Datei.

Fraglich findet Bayam auch das „Sonderprogramm Türkei“ der EZB, die über die Deutsche Botschaft und Vertretungen Informationen verteilen: „Wer geht denn bitte zur Botschaft?“ Mit „nur 200.000 Mark könnte die EZB, deren Aufgabe sowohl die Aufklärung vor Ort, die Sicherung der Währung als auch das Vertrauen zu den Menschen ist, die gesamte türkische Community in Deutschland erreichen.“ Damit „frei umlaufende“ D-Mark nicht weiter unter Kopfkissen schlummern, in Dollar oder Schweizer Franken getauscht werden, sollte die Bekanntschaft mit dem „echten“ Euro im Vordergrund stehen. SEMIRAN KAYA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen