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Die 18-Zentimeter-Partei

„Machen. Machen. Machen.“ – die F.D.P. hat einen neuen Wahlkampfslogan

Ein genialer Wurf: Die Liberalen lassen sich nicht mehr auf irgendeine Bedeutung ein

Die FDP ist im Aufwind, heißt es seit einiger Zeit, auch wenn Jürgen W. Möllemann inzwischen keine Gegelegenheit mehr ausläßt, um mit seinem Fallschirm herabzusegeln wie am vergangenen Wochenende auf dem Drei-Königstreffen der Partei, wo er aus 18 Hundert Meter Höhe und nach 18 Sekunden freiem Fall in einem Winkel von 18 Grad der Meute der harrenden Delegierten von oben herab direkt vor die Füße fiel, um mit dieser liberalen Penetration des Luftraums zu veranschaulichen, wie die FDP bei ihrem Projekt, die kommende Bundestagswahl mit einer Stimmenfangquote von 18 Prozent zu quittieren, aus allen Wolken fallen wird. 18 Prozent stand demzufolge auch auf den hochkarätigen T-Shirts, die sich die FDP-Spitzenmannschaft vor laufenden Kameras freiwillig überstreifte, 18 Prozent hatte last not least dito der Curaçao und Quittengelee zäh verschweißende Parteitagspunsch, und 18 Zentimeter war obendrein noch das obligatorische Richtmaß, das die Männerriege sich beim Einlass an den jeweils eigenen Piephahn legen lassen musste . . . Wundern tät’s jedenfalls nicht.

18 Prozent, 18 Prozent, 18 Prozent – hätte demzufolge das Motto des Treffens lauten müssen oder, besser, 18 Prozent, 18 Prozent und nochmals 18 Prozent, und alles wäre klar, stimmig und in schönster Butter gewesen. Doch die Kreativ-Crew um Guido Westerwelle folgte, offenbar um den hitzigen Möllemann mit seiner penetranten 18-Prozent-Meise etwas zu kühlen, einen anderen Plan und platzierte die Parole über dem Podium: „F.D.P. – Machen. Machen. Machen.“ – die neue Erkennungsmelodie der Partei.

„Machen. Machen. Machen.“, ein genialer Wurf. Während sich die anderen Parteien noch tapfer quälen, wie auch immer verkrüppelte Restaussagen zu fabrizieren, lässt sich die FDP auf Null Gran von Bedeutung mehr ein. Was sie macht, ist ihr egal, auch wer was macht, spielt keine Rolle, denn „Machen. Machen. Machen.“ hat weder Subjekt noch Adressaten. Eine Tätigkeit kann machen gleichfalls nicht genannt werden, und wenn doch, dann nur in einer Art Kindergartenversion, in der Pipi ebenso gemacht wird wie Atta, atta oder Aua. „Machen. Machen. Machen.“, dieser Slogan der FDP ist so gesehen das uneingeschränkte Ja zur Regression. Warum auch nicht?

Allein das Wort verheißt jedoch nichts Gutes. Wo „Machen“ Verwendung findet – etwa in Machbarkeitsstudie, Liedermacher, Macht oder einfach Macher –, schwingt die Stupidität ihr Zepter, klopft die Rohheit an die Tür des Daseins. Eine Streichung des Worts würde vielleicht viele Leute um ein Drittel ihres Vokabulars, die FDP um ihren kompletten Wortschatz bringen, aber die Sprache keineswegs ärmer werden lassen.

Was „Machen“ freilich bei aller offenkundigen Inferiorität tut, ist, auf sein Gegenteil zu verweisen, mit dem die FDP offensichtlich nichts zu schaffen haben will: das Denken. Davon, dass irgendwas bedacht werden könnte, ja müsste, will die Partei nichts wissen. Außer „Machen“ kommt nichts in Frage, vor dem „Machen“ steht das „Machen“, und nach dem „Machen“ kommt auch bloß „Machen“ dran. Die Frage ist nur, ob dreimal das Gleiche gemacht werden muss – was auf schusselige beziehungsweise besonders pedantische Macher schließen ließe, die eben alles dreimal machen müssen –, oder ob hier eine dreifache Aufforderung an jemanden vorliegt, der allem Anschein nach schwerhörig ist und nichts kapiert. Je nach Beantwortung der Frage wird man die Anhängerschaft der Liberalen entweder unter Zwangsneurotikern oder aber unter Katatonikern suchen müssen.

Der gereizte Tonfall, in dem die Mahnung sturheil gehalten ist, erinnert an den routiniert-genervten Meister in der Blechwerkstatt oder an den Agenturchef, dem das Geschwätz seiner Mitarbeiter auf den Keks geht. Mit schwingt auch der „Fakten. Fakten. Fakten.“-Unfug aus der Focus-Reklame. Womöglich aber – Wunder geschehn! –, dachten die „Machen. Machen. Machen.“-Macher sogar an Heinrich Heines berühmtes Gedicht „Die schlesischen Weber“, dessen Kehrreim der dreifache Fluch „Wir weben! Wir weben!“ ist und dessen erste Strophe, für die FDP behutsam aktualisiert, lauten müsste: Im grienenden Antlitz keine Träne, / Sie sitzen im Vorstand und blecken die Zähne: / „Deutschland, wir machen 18 Prozent, / und machen wir auch ins eigene Hemd! / Wir machen! Wir machen!“ RAYK WIELAND

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