: Antworten auf so manche K-Frage
Benefizkonzert „Born in Kabul“ mit „Fettes Brot“, Jan Delay, „Kante“ und „Veranda Music“ ■ Von Oke Göttlich
„Es herrscht wieder ein größeres Bewusstsein für politische Inhalte.“ Eine Feststellung, die – dem zu Unrecht auf spaßlyrische Eskapaden reduzierten – König Boris von Fettes Brot als abschließendes Statement noch mal eben so herausrutscht. Nicht außergewöhnlich klug, aber als Schablone für aktuelle Strömungen des HipHop hierzulande nicht ungeeignet.
In der Tat gab es vergangenes Jahr wieder vereinzelte Unternehmungen (wie Jan Delay oder Brothers Keepers) die Boris' These durchaus stützen. Dürre, battleverwurzelte Texte wurden vermehrt um solidarisierende und vermittelnde Inhalte bereichert. Der Eindruck, das sich HipHop als Ausdrucksform wieder mehr den Geschehnissen heimischer Straßen und bedingt auch den eigenen Städten oder Sozialisationszirkeln widmet, präzisiert sich zusehends. „St. Pauli und die Schanze sind Inspirationsquellen, die Rapper aus anderen Städten nicht haben“, erklärt Boris. Stattdessen werden häufig fiktionale Texte, die sich teils aus amerikanischen Streetmythen nähren, auf Deutschland projiziert.
Neue politische Konstellationen in der Stadt tun ihr übriges und die weiterhin ungeklärte K-Frage des neuen Senats hinterlässt ein Vakuum, mit bisher unabsehbaren Folgen für Hamburg. Aber schlimmer als bisher kann es für unabhängige Musiker und Kunstschaffende ja sowieso kaum kommen. Anders als in Stuttgart oder anderen Städten interessiert sich die Kulturbehörde kaum für den Stellenwert des Hamburger Musikstandortes, von dem König Boris behauptet, „dass junge Leute nicht aufgrund der tollen Infrastruktur hierher ziehen, sondern um Eimsbush zu sehen, selbst wenn sie dann beim Anblick der Osterstraße enttäuscht sind“.
Diese Gründe sprechen eindeutig für einen Mann wie Rocko Schamoni als Kultursenator für Herrn von Beust, zumal er durch geschickte Eigenvermarktung die Haushaltskasse nicht übermäßig strapazieren würde und spätestens als Moderator beim heutigen Abend seine Qualifikation in Sachen K-Fragen eindrucksvoll demonstrieren wird.
Die Kabul-Frage wird zwischen den einzelnen Auftritten von Veranda Music, Kante, Jan Delay und Fettes Brot mit Statements von Aziz Alkazaz (Deutsches Orientinstitut Hamburg) und Oliver Fahrni (Die Woche) neu gestellt und um Erfahrungen der Hilfsorganisationen RAWA (Revolutionary Association of the Women of Afghanistan) und KUFA (Hamburger Komitee zur Unterstützung der Flüchtlinge in Afghanistan) ergänzt. Ein Videovortrag von Jörn Burmester mit Ausschnitten aus dem Film Rambo III, in welchem Rambo mit den Taliban gegen Russland kämpft, hinterfragt filmisch die historische Dimension der amerikanischen Bündnispolitik ebenso kritisch wie RAWA das aktuelle Bündnis der USA mit der Nordallianz.
„Die Nordallianz ist genauso schlimm wie das Taliban-Regime. Viele Frauen sind vor den Truppen der Nordallianz geflohen, weil sie die zahlreichen Vergewaltigungen, zu denen es unter der Herrschaft der Nordallianz kam, nicht vergessen haben“, sagte ein Mitglied der unter dem Taliban-Re-gime im Untergrund operierenden RAWA kürzlich in einem Interview mit der Jungle World.
„Ich versuche die menschliche Ebene nicht im Zusammenhang mit der politischen Ebene zu betrachten, weil es kalt macht“, sagt König Boris, „wir spielen nur Benefizkonzerte, bei denen wir glauben, dass sie sinnvoll sind.“ Angesprochen auf die Benefiz-Inflation der jüngsten Zeit, gibt es kein Halten mehr: „Betroffenheitsrocker kann ich nicht ausstehen.“ Ein guter Weg, damit sich politisch-sinnvolle Texte nicht auf zeitgemäße Phänomene reduzieren, sondern langfristige Kontextualisierungen ermöglichen. Köpfe rocken bis sie nicken, nicht wahr, Herr Delay?
heute, ab 20 Uhr, Schauspielhaus, Große Bühne
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