Fusionen frustieren

■ Nordstaat, Weserraum, Kleinstadt? Bremen ist im EU-Maßstab zu winzig, Kooperationen mit dem Umland jedoch schwierig. Eine Podiumsdiskussion

Der Geist ist willig, aber das Fleisch will nicht zu Potte kommen. So könnten sich die Querelen beschreiben lassen, unter denen Bremen und Niedersachsen in den letzten Jahren kooperiert haben: Nämlich fast gar nicht. Eingemeindung, Länderfusion, Kommunalverbund – oder was? „Im Ergebnis würden sich alle verschlechtern – deshalb glaube ich, eine Länderfusion oder sogar einen Nordstaat werden wir in den nächsten 50 Jahren nicht erleben“, sagte Reinhard Hoffmann. Wie zerknirscht ein Staatsrat sein kann, zeigte er gestern auf der von Hochschule Bremen und der Hochschule für öffentliche Verwaltung veranstalteten Podiumsdiskussion über „Möglichkeiten und Probleme institutioneller Kooperation von Stadtstaaten und Flächenstaaten“.

Der Staatsrat – ein echter Fusionsfrustler: Vor zwei Jahren hatte er mit seinem „Hoffmann-Papier“ für eine verbindliche Regionalstruktur Bremens mit seinem Umland eine glorreiche Bauchlandung hingelegt.

Breitseite gegen den Staatsrat

Klar: Es ging – und geht – um viele Posten, viel Macht und sehr viel Geld. „Alle Probleme wären zu lösen, wenn Bremen Sitz einer niedersächsischen Bezirksregierung würde“, spöttelte Werner Jahn, Oberkreisdirektor aus Verden, und schoss eine Breitseite gegen Staatsrat Hoffmann und Kollegen aus dem „Oberzentrum“.

Den Bremern falle es schwer, über ihre Stadtmauern zu blicken. „Die Stadt hat jahrzehntelang bei der Gewerbeansiedlung geschlafen“, sagte Jahn. Bremen habe seine Führungsrolle für die Region nicht wahrgenommen. Erst in der Mitte der 90er Jahre habe sich das geändert. Das sei wichtig: die Stadt sei Lebensader fürs Umland.

Jahn: „Bremen muss stark sein. 2.500 Verdener arbeiten bei Daimler-Chrysler – das ist der größte Arbeitgeber für unseren Landkreis.“ Auch die Schaffung der Gewerbegebiete in der Hemelinger Marsch werde neue Arbeitsplätze in die Region bringen. Immerhin klappte der gemeinsame öffentliche Nahverkehr gut, große Hoffnung setzte Jahn auf die jetzt anlaufende gemeinsame Raumplanung. Dann wurde der Mann aus Verden philosophisch: „Ich habe eine Vision“, sagte Jahn. „Die Gründung eines Regionalverbandes auf kommunalrechtlicher Basis. Und nicht“, noch ein Seitenhieb, „wie Sie es wollten, Herr Hoffmann: auf Staatsbasis“ – wo nur Bremen bestimmt hätte.

Immerhin habe er eine Diskussion angefacht, grummelte Staatsrat Hoffmann. „Und ich halte die Lösung immer noch für richtig.“ Es sei „ziemlich absurd“, dass eine gemeinsame Krankenhausplanung mit Nienburg gescheitert sei, „weil der zuständige Ministerialdirigent das nicht mit uns abstimmen will.“

„Keine Trendwende“

Zwar hätten Niedersachsen und Bremen mit der Fusion des Landessozialgerichts schon einiges geschafft, meinte Hoffmann. Dennoch bestehe das grundsätzliche Problem weiter: Dass Bremen in den vergangenen Jahren massiv Einwohner – und damit Fördermittel – verloren habe. Der derzeitig leichte Anstieg der Einwohnerzahlen, von Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) bejubelt, sei „keine Trendwende“, so Hoffmann.

Einigen Großraum-Politikern ist es inzwischen egal, dass bei Kooperationen zwangsläufig Gelder und Stellen gespart werden: Berlin und Brandenburg, der Großraum London oder die sich bildenden französischen Communités – enger Zusammenrücken ist der Trend, da innerhalb der EU Regionen immer wichtiger werden verglichen mit klitzekleinen Städten wie Bremen.

Vorbilder für einen Weser-, einen Nordwest- oder sogar einen Nordraum gibt es genügend. Vor wenigen Monaten wurde die Region Hannover geschaffen: samt gewählter Versammlung und Präsident, der schon im kommenden Jahr Herr über 13.000 Angestellte sein soll.

Funktionieren tut's natürlich schon im Ländle: „Wenn sich die Bundesländer Baden und Württemberg nicht vor 50 Jahren vereinigt hätten, wären sie heute Nehmerländer im Finanzausgleich“, sagte Christian Specht, Mannheimer Verbandsdirektor der Rhein-Neckar-Region. Sein Verband im Dreieck um Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg war vor 30 Jahren geschaffen worden. „Zunächst durften wir rechtsverbindliche Raumordnungspläne aufstellen, seit 1996 sind wir auch für Verkehr, Wirtschaftsförderung, Abfall und Regionalmarketing zuständig.“

Auch beim großen Konkurrenten Hamburg klappt vieles besser – und zwar „durch den Anstoß von oben“, betonte Senatsdirektor Hellmut Körner. „Dass sich Hamburg bei dem Umland eine eigene Landwirtschaftskammer leistet, finde ich aber eher lustig“, sagte der Hamburger.

Außerdem habe Niedersachsen ohne viel Probleme Flächen für den Bau des Airbus A 380 abgetreten. Außerdem gebe es „derzeit eine rege Zusammenarbeit beim Bau der Autobahn A 26 und beim Tiefwasserhafen.“

Ach ja, der Tiefwasserhafen. Die neue schillsche Regierung bewertet das Riesenprojekt in Wilhelmshaven offenbar derzeit neu. Körner: „Wenn im Projektdesign unsere Interessen nicht berücksichtigt werden, nützt uns der Tiefwasserhafen auch nichts.“

Kai Schöneberg