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Wegweiser für den Sternenhimmel

Restaurantführer sind die Krähen der Literatur. Sie hacken gerne auf ihrem Metier herum. Manchmal gibt es aber auch mal ein Lob. Fünf der gestrengen Werke, die soeben für das Jahr 2001 erschienen sind, kamen auf den taz-Prüfstand

von CHRISTINE BERGER

Spitzenkoch Kolja Kleeberg vom „Vau“ in Berlin hat es neulich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung so auf den Punkt gebracht: Zweck eines Restaurantführers sei nicht wirklich Restaurants zu testen, sondern den Führer zu verkaufen. Sic! Wie das geschieht und in welcher Form, entscheiden Tradition und Verlagsphilosophie. Im Folgenden eine Reise durch fünf verschiedene Gourmetbibeln mit mehr oder weniger Anhaltspunkten zur Orientierung zwischen Sternen und Kochmützen.

Michelin

Der rote Einband erinnert an ein SPD-Parteibuch, die feinen Seiten knistern zwischen den Fingern wie beim Gesangsbuch in der Kirche. Die Sterneverteiler der Redaktion sind gefürchtet wie der Teufel. Ist ein Michelin-Restaurant-Tester in der Stadt, kann es passieren, dass sich die Gourmetköche untereinander vorwarnen. Dann versucht jeder sein Bestes zu geben, um den ersehnten Michelinstern zu sichern. Die Angaben zu den einzelnen Lokalen sind kurz und knapp. Eine ganze Armada Piktogramme ersetzt Platz sparend alle weiteren Erklärungen. Dafür ist fast jeder Ort von Ankum bis Zwota berücksichtigt. Lobenswert: Auch Restaurants mit wenig Komfort, dafür aber einer herausragenden Küche schneiden gut ab. Mit so genannten „Bib Gourmant“, einer Art lachender Vogel, werden Gaststätten mit guter und preiswerter Küche ausgezeichnet.

Um die Mitarbeit der Leser wird ausdrücklich gebeten. Ein eigens beigelegter Briefumschlag sowie eine spezielle Mail-Adresse sollen die Leser animieren, ihre Einschätzungen der Redaktion mitzuteilen.

Gault Millau

Auch französischen Ursprungs, aber das glatte Gegenteil vom Michelin: Hier wird lieber auf ausführliche Beschreibungen ausgesuchter Adressen gesetzt, anstatt auch noch das letzte Dorf der Republik zu berücksichtigen. Statt Sternen werden Kochmützen verteilt, die nach einem Punktesystem entsprechend französischer Schulnoten vergeben werden.

Fünf Kochmützen hat der Gault Millau noch nie vergeben – auch nicht an sich selbst. Und das zu Recht: Als schwerer Mangel erweist sich die Tatsache, dass die ersten vierzig Seiten des Restaurantführers so stark mit Werbeanzeigen zugeklatscht sind, dass nicht mehr klar wird, was eigentlich den redaktionellen Teil ausmacht. Wenn etwa unter dem Patronat von Underberg der Koch des Jahres geehrt wird, ist die redaktionelle Unabhängigkeit mehr als zweifelhaft.

Erfrischend wiederum sind die Insideranekdoten zu den einzelnen Restaurants. Auf diese Weise lernt man nicht nur die Gerichte kennen, sondern auch zu welchem Lokal der letzte Koch gewechselt ist und mit wem man es in dieser Saison zu tun hat.

Neu: Im Anhang wurden erstmals auch die Restaurants auf drei verschiedenen Kreuzfahrtschiffen getestet, darunter auf der MS Europa. Das mag den Testern wohl bekommen sein.

Varta-Führer

Der einzige Klassiker, der sein geballtes Wissen auch auf CD-Rom verfügbar macht. Rund 12.000 Hotels und Restaurants wurden in der 45. Ausgabe getestet, weitere 12.000 Adressen in Deutschland, Schweiz, Südtirol und Österreich befinden sich auf dem digitalen Datenträger.

Praktisch sind die Entfernungsangaben zum jeweiligen Ortszentrum, außerdem werden bei allen Gemeinden Einwohnerzahlen, Höhenmeter, touristische Sehenswürdigkeiten und die nächstgrößere Kreisstadt genannt. Und das alles auf so kleinem Raum, dass immer noch verblüffend viel Platz für Hotel- und Restaurantadressen bleibt.

Die Angaben dazu sind allerdings ähnlich karg wie im Michelin. Es wird viel mit Piktogrammen gearbeitet, und ansonsten muss man sich bei der Empfehlung auf den guten Geschmack der Tester verlassen. Die Vermengung von Hotel- und Restaurantadressen wirkt außerdem unübersichtlich. Auf den ersten Blick fällt es schwer zu ersehen, wo man „nur“ übernachten kann und wo es auch etwas Gutes zu essen gibt.

Der Feinschmecker

Seit fünf Jahren wartet die Redaktion der Zeitschrift Feinschmecker ebenfalls mit einer Gastrobibel auf. Ein Ranking aller getesteten Hotels und Restaurants befindet sich im vorderen Part. Die besten Köche, Hotels, Winzer und Landgasthäuser werden unter anderem ausgezeichnet. Auffällig ist, dass sich unter den Topten Restaurants mit den besten Köchen fast ausschließlich süddeutsche Gourmettempel befinden.

Die Mischung aus Piktogrammen und kurzen, stichhaltigen Beschreibungen im Adressteil funktioniert. Man muss sich nicht durch Bleiwüsten lesen und hat dennoch genügend Informationen, um sich einen ersten Eindruck von den aufgeführten Restaurants und Hotels zu verschaffen. Praktisch: Küche und Hotel der wichtigsten Nachbarländer werden ebenfalls vorgestellt. Brüssel, Amsterdam, Zürich und Wien sind unter anderen ausführlich vertreten. Das Kartenwerk im Anhang hat Atlasqualitäten. Im Vergleich ist der Band außerdem preisgünstig.

Marcellino’s

Das Prinzip ist simpel und erfolgreich zugleich: Restauranttester sind x-beliebige Lokalgänger, die ihre Einschätzung dem Verlag mitteilen. Aufgrund der unzähligen Einsendungen versucht das Redaktionsteam dann eine Einschätzung, in der die Zitate der Laienkritiker mit einfließen. Auf diese Weise kommen nicht nur Insider zu Wort, sondern auch Restaurantbesucher, die sich einfach mal was Gutes gönnen wollten.

Im Deutschlandführer werden die besten Adressen aus den regionalen Marcellino’s-Restaurantführern zusammengefasst. Positiv sind die Auszüge aus der Speisekarte zu bewerten, die zu jeder Restaurantkritik gehören.

Sparten wie Essen, Trinken, Service und Ambiente werden einzeln benotet. Die vereinzelten Fotos hätte man sich allerdings lieber sparen sollen. Überbelichtet, verwackelt oder peinlich laienhaft zeugen sie von einem streng limitierten Budget, das der visuellen Aufmachung keinen Raum lässt.

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