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Indien siegt in Kaschmir

Kampflos hat Indien gegen Pakistan diplomatische Punkte gewonnen, die mehr zählen als Erfolge auf dem Schlachtfeld. Pakistans Rolle als US-Partner ist vorbei

DELHI taz ■ Rege Reisediplomatie prägt die internationalen Bemühungen um eine Entspannung auf dem indischen Subkontinent. Indiens Innenminister L. K. Advani ist gerade in den USA, nächste Woche wird ihm Verteidigungsminister George Fernandes folgen und Ende Monat Finanzchef Yashwant Sinha. Das hält ausländische Politiker nicht ab, in Delhi abzusteigen: Kaum war Tony Blair weg, sicherte Israels Außenminister Schimon Peres Indien Unterstützung zu; am Wochenende trifft Chinas Premierminister Zhu Rongji ein, und zwei Tage später folgt ein weiteres Mal US-Außenminister Colin Powell.

All das ist ungewohnt für einen Staat, der sonst jede internationale Einmischung in den „bilateralen“ Kaschmirkonflikt mit Pakistan von sich weist. Indien will jetzt die internationale Gemeinschaft in eine diplomatische Offensive gegen Pakistans „Unterstützung des grenzüberschreitenden Terrorismus“ einspannen. Mit den USA ist eine enge Zusammenarbeit in Sachen Terrorbekämpfung vereinbart. Diese könnte, folgt man indischen Zeitungsberichten, sogar eine US-Überwachung terroristischer Tätigkeit im umstrittenen Grenzgebiet von Kaschmir einschließen, um Indiens Vorwürfen einer pakistanischen Verwicklung erhöhte Glaubwürdigkeit zu geben und diese zu unterbinden.

Schon in den Tagen nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA sahen indische Politiker die Lösung des Kaschmirproblems gekommen, denn die Spurensuche würde die USA nach Afghanistan und von dort zwangsläufig nach Pakistan führen. Doch statt zu einem Feind der USA wurde Pakistan zu ihrem wichtigsten Verbündeten. Delhis eilfertiges Bündnisangebot wurde derweil von Washington höflich in die hinteren Ränge relegiert.

Erst das Selbstmordattentat vom 1. Oktober in Srinagar und besonders jenes gegen das indische Parlament am 13. Dezember änderte diese Rangordnung wieder. Indiens Insistieren, dass Pakistans Teilnahme an der Anti-Terror-Koalition opportunistisch war, erhielt in Washington plötzlich Gewicht – aus Sicht Islamabadas ausgerechnet dann, als sich Pakistans strategische Nützlichkeit für die USA erschöpft hatte.

Beobachter in Delhi sind der Meinung, dass Indiens Regierung nie daran dachte, es zu einem Krieg mit Pakistan kommen zu lassen. Vielmehr sei es darum gegangen, das Mittel der militärischen Eskalation und die Angst vor einem nuklearen Schlagabtausch einzusetzen, um möglichst viel diplomatisches Kapital zu schlagen. Delhi denkt nicht daran, diesen Vorteil kurzfristig preiszugeben. Für Delhi sitzt Pakistans Präsident Musharraf in der Falle, und seine Hoffnung, die Anti-Terror-Koalition zu nutzen, um seine Kaschmirpolitik zu retten, hat sich nicht erfüllt.

Zu Indiens Strategie gehört die Beibehaltung einer erhöhten Spannungslage an der Grenze zu Pakistan und das völlige Einfrieren jeder diplomatischen Handreichung. Eine Einwilligung ineinen Dialog würde das Thema Kaschmir wieder von der internationalen Bühne nehmen, und man wäre wieder in der bekannten fruchtlosen Abfolge von Gesprächen, Attentaten, Säbelrasseln und neuen Gesprächen gefangen. Delhis nichtmilitärische Maßnahmen – Unterbrechung des Grenzverkehrs, Abberufung des Botschafters, Sperrung des Luftraums – sind daher wichtiger als die militärischen, die sich in einem beiderseits gut kontrollierten Ritual gegenseitiger Eskalation abspielen.

BERNARD IMHASLY

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