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Mit den Nachbarn und der EU gegen die Krise

Argentinien setzt auf die Freihandelszone Mercosur und geht damit auf Distanz zu den USA. Chancen hat vor allem die Agrarwirtschaft

BUENOS AIRES taz ■ Neue Töne aus dem argentinischen Außenministerium. „Die Probleme des Mercosur lösen sich nur mit mehr Mercosur“, sagte der neue argentinische Außenminister Carlos Ruckauf über den Freihandelsblock, zu dem sich Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay mit den assoziierten Mitgliedern Bolivien und Chile zusammengeschlossen haben. Seit März vergangenen Jahres, als Domingo Cavallo zum Wirtschaftsminister ernannt wurde, spielte der Mercosur keine Rolle mehr. Jetzt hat ihn der neue argentinische Präsident Eduardo Duhalde wiederentdeckt.

Im Gegensatz zu Cavallo, der an einer Anbindung an die USA interessiert war, will Duhalde mehr mit den Nachbarstaaten zusammenarbeiten. Mit der Abwertung des argentinischen Peso hat er eine wichtige Voraussetzung zur Wiederbelebung des Mercosur erfüllt. Denn um in dem Freihandelsblock einigermaßen reibungsfrei Handel betreiben zu können, müssen die Währungen ungefähr gleich bewertet werden. Doch der brasilianische Real hatte nachdem er seit 1999 nicht mehr an den Dollar gekoppelt war, deutlich an Wert verloren. Dies blockierte die argentinischen Exporte nach Brasilien und führte zu einer Schwemme von brasilianischen Importen nach Argentinien.

Jetzt jedoch bekam Argentiniens Außenminister Ruckauf bei seinem ersten Staatsbesuch im Nachbarland Rückendeckung von Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso für seine neue Währungspolitik. Und Ruckauf bot im Gegenzug an, einige Schutzzölle für brasilianische Produkte aufzuheben.

Armino Fraga, Chef von Brasiliens Zentralbank, denkt sogar an eine „gemeinsame Wechselkurspolitik in der Region“. Das ist jedoch Zukunftsmusik, auch wenn der Mercosur langfristig wohl kaum darum herumkommen wird. Doch nun soll zunächst der Freihandelsblock zum politischen Bündnis ausgebaut werden. Die Liste der offenen Punkte ist lang. So gilt es, eine gemeinsame Haltung für die geplante Gesamtamerikanische Freihandelszone FTAA aber auch zur Welthandelskonferenz WTO zu entwickeln.

Ein zentrales Thema der Mercosurstaatschefs dürften die Außenbeziehungen des Blocks zu den USA und der EU sein. Sowohl mit Washington, als auch mit Brüssel verhandelt man über eine Freihandelszone. Den USA geht es dabei um die Schaffung einer FTAA von Alaska bis Feuerland. Dies wird vor allem von Brasilien mit Skepsis verfolgt. Cardoso würde eine südamerikanische Freihandelszone vorziehen. Aber noch sind die Verhandlungen zwischen den USA und Lateinamerika nicht weit gekommen, nicht zuletzt wegen des starken Widerstands der US-amerikanischen Lobbys.

Daher will der argentinische Außenminister Ruckauf mit dem Mercosur lieber zweigleisig fahren: „Ich sehe nicht ein, warum wir nicht polygam sein können, zumindest in den Außenbeziehungen und der Wirtschaftspolitik können wir mit den USA und Europa verhandeln“, sagte er und erntete damit Beifall bei Brasiliens Präsident Cardoso. Schon heute ist die EU für den Mercosur der wichtigste Handelspartner und auch bei den ausländischen Direktinvestitionen haben europäische Firmen im Mercosur die Nase vorn. Erst an zweiter Stelle liegen die USA.

Aber auch die Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur laufen schleppend. Ein Treffen Ende Oktober in Brüssel verlief ohne spektakuläre Ergebnisse. Es ist auffallend, dass die EU immer dann einen Schritt auf den Mercosur zugeht, wenn die USA einen getan haben, also auf Fortschritte im FTAA-Prozess reagiert. Größter Stolperstein bei den Verhandlungen zwischen Mercosur und der EU sind die Brüsseler Agrarsubventionen. Ohne einen Cent staatlicher Hilfe produzieren die Landwirte in Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay wesentlich kostengünstiger als die Bauern in Europa. Noch besteht innerhalb der EU zudem keine Einigkeit über die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik. Und da ist es umso schwieriger zu einer gemeinsamen Position gegenüber einem überlegenen Konkurrenten zu kommen.

INGO MALCHER

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