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Die Angst im Osten

SPD-Politker bangen um den Wahlsieg: Die Misere in den neuen Ländern brachte schon den Einheitskanzler Helmut Kohl zu Fall

BERLIN taz ■ Drei Zahlen beschreiben die Gefahr im Osten. 17,6 Prozent: Das ist die Arbeitslosenquote. 200.000: So viele Menschen sind im vergangenen Jahr abgewandert. 2005: Vorher ist der Aufschwung nicht zu erwarten. Und dabei hatte Kanzler Schröder die Wahl 1998 vor allem im Osten gewonnen, weil er im Regierungsprogramm versprach: „Die SPD-geführte Bundesregierung wird die Schaffung neuer, wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen.“

Erstmals seit der Wiedervereinigung schrumpfte das ostdeutsche Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr – um 0,6 Prozentpunkte. Für 2002 erwartet das Institut für Wirtschaftsforschung, Halle (IWH), allenfalls ein Nullwachstum. Mindestens noch bis 2005 wird nach IWH-Berechnungen die ostdeutsche Wirtschaft langsamer wachsen als die westdeutsche. Die Kluft wächst also weiter. „Die Lücke hat sich seitdem um 3 Prozentpunkte vergrößert“, urteilt Karl Brenke, Experte für Ostdeutschland beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Auch die Arbeitslosenquote wächst kontinuierlich. „Im Osten haben wir saisonbereinigt das höchste Niveau seit Schröders Amtsantritt“, so Wirtschaftsforscher Brenke. Und noch eine Zahl dürfte die SPD aufschrecken: Unter Kanzler Kohl hatte sich die ostdeutsche Wirtschaftskraft der Westdeutschen bis auf 61,7 Prozent angenähert. „Heute sind wir nur bei 60 Prozent“, so Brenke.

Beispiel Sondershausen: Seit 1990 hat die Kleinstadt in Thüringen rund 1.500 Einwohner verloren – obwohl durch Eingemeindungen 4.500 Neubürger hinzukamen. „Wir können gar nicht so schnell eingemeinden, wie wir schrumpfen“, sagt der zweite Bürgermeister Wilhelm Schreier (SPD).

Entsprechend schlagen die Sozis Alarm. „In Berlin fehlt der Mut zur Ehrlichkeit und der Wille zur schonungslosen Analyse“, sagt etwa der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, der als Verfolger von Biedenkopfs Affären bekannt wurde. Die Regierung Schröder sei „nach einem guten Anfang eingeschlafen“, sagt Manfred Schulz, SPD-Vorsitzender im Kreis Potsdam-Mittelmark. Und eine „Kraftanstrenung für den Osten“ fordert Rainer Methke, Landtagsabgeordneter in Magdeburg: „Wir müssen die noch verbleibende Zeit nutzen. Der Osten entscheidet.“

Würden an diesem Sonntag Wahlen stattfinden, würde sich der Osten gegen die SPD entscheiden. Nach einer Infratest-Umfrage käme die Union in den neuen Bundesländern auf 34 Prozent, die SPD nur noch auf 28. Vor vier Jahren sah es genau andersherum aus: Über 35 Prozent der Ostdeutschen glaubten an Schröders Wahlprogramm, nur noch reichlich 27 Prozent stimmten für Helmut Kohl. Das waren 11,5 Punkte weniger als 1994 – der Einheitskanzler war abgewählt.

„Der Osten hat 1998 ganz entscheidend zum Wahlgewinn der SPD beigetragen“, sagt der Sondershausener Schreier, der gleichzeitig Vorsitzender des Thüringer SPD-Parteirats ist. So hätten die Sozialdemokraten im schwarzen Thüringen mit nur einer Ausnahme alle Direktmandate gewonnen. Schreier warnt davor, dass die Regierung Schröder die nächste Wahl „im Osten vergeigt“. Zwar sei die Stimmung schlechter als die Lage. So sei die Arbeitslosenquote in Sondershausen von über 30 Prozent unter Schröder auf über 20 Prozent gesunken. Schreier: „Es ist aber unverkennbar, dass die Stimmung auf der Kippe steht.“ NICK REIMER

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