: Rock mit Fransen dran
Vorwärts in die Vergangenheit? Amon Düül II geben dem Krautrock auch für die Gegenwart noch eine Überlebenschance
Wer daran Schuld hat? Julian Cope vielleicht. Weil der britische Wunderling in seinem Buch „Krautrocksampler“ so ekstatisch über die wundersam verschrobene Musik berichtete, die da einstmalens in Deutschland-West gemacht wurde, als gerade das aufgeregte Sechzigerjahrzehnt in die Siebziger kippte, wurde einem klammheimlichen kleinen Trend noch einmal mächtig der Rücken gestärkt und plötzlich war es enorm schick, auf Flohmärkten nach den alten Scheiben von Can, von Guru Guru, Embryo, Neu oder Faust zu grabbeln, die man endlich als die wahren Schätze der Deutschrockerei ohne doofes Muckertum verhandeln wollte. Puh! Den Satz endlich zu Ende gebracht. Wie damals. Da durfte alles auch mal etwas länger dauern, nachdem man feststellen musste, dass die Revolution nicht gleich Morgen eintreffen wird. Noch nicht einmal übermorgen. Beim Marsch durch die Institutionen blieb genug Zeit, sich durch ausgewachsene Doppelalben zu hören. Als die Haare wie die verbissenen Kollektivimprovisationen immer länger wurden. Alles franste irgendwie aus. Und lappt unbekümmert ins Heute. Denn, genauer hingeschaut, waren die ganzen Bands aus dem ersten Sommer hiesiger Rockmusik nie wirklich weg. Oder sind jedenfalls wieder da. Wie Amon Düül II. Spaltprodukt der Münchener Düülschen Musikerkommune, bei der kurz auch Uschi Obermaier die Maracas schüttelte. Damals schwer psychedelisch mit Velvet Underground, Zappa und halbgar verdauten Konservatoriumsübungen im Mixer, mit so ehrfurchtsgebietenden Albumtiteln wie „Tanz der Lemminge“. Und heute? Muss man im Quasimodo überprüfen, wenn sich Amon Düül II in angenähertem Originalzustand dem Jetzt stellen. Ob es nur Erinnerungsarbeit oder Frischzellenkur ist? Einfach eine Beschäftigungstherapie? Oder neue Wahrheit auf dem Gegenwartsmarkt? Auf, kein Zaudern: zurück in die Zukunft; vorwärts in die Vergangenheit.
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