„Das ist eine ganze andere Kultur“

Der neue Hertha-Trainer Huub Stevens über seinen neuen Job in Berlin, den Unterschied zu Schalke 04 und die Frage, ob er schon Kontakt mit einem Herrenausstatter aufgenommen hat. Er gehe nicht davon aus, dass Hertha-Manager Dieter Hoeneß ohne sein Wissen neue Spieler verpflichtet

Interview FRANK KETTERER

taz: Herr Stevens, Rudi Assauer, Ihr Manager auf Schalke, hat Ihren Wechsel zu Hertha mit den Worten kommentiert: „Er wird sich noch umgucken.“ Wie hat er das denn gemeint?

Huub Stevens: Vielleicht war er ein bisschen enttäuscht, dass ich auf Schalke aufhöre. Aber ich denke, das hat sich mittlerweile wieder gelegt, und er blickt jetzt auch in die Zukunft. Mit Frank Neubarth steht ja mittlerweile auch mein Nachfolger schon fest. Das ist zwar noch ein ziemlich unerfahrener Mann, aber ganz bestimmt einer, der eine Chance verdient.

Sie befürchten also nicht, dass Rudi Assauer es Ihnen nicht zutraut, auch in Berlin so erfolgreich sein zu können wie auf Schalke?

Nein, das glaube ich nicht. Er hat mir ja auch zu meinem neuen Verein gratuliert und mir viel Erfolg gewünscht. Letztendlich ist das Fußballgeschäft einfach so: Wenn einer eine Entscheidung trifft, dann muss man das auch respektieren und entsprechend damit umgehen.

Was ist der Unterschied zwischen Schalke und Hertha?

Oh, da gibt es mehrere Unterschiede. Das Wichtigste aber ist, dass beides Traditionsvereine sind – und beide Blau-Weiß tragen. Das macht es einfacher für mich.

Und Sie brauchen sich noch nicht einmal neue Trainingsanzüge zu kaufen.

(lacht herzlich) Nein, wirklich nicht. Aber im Ernst: Berlin ist die Hauptstadt, und Schalke ist der Ruhrpott, der Arbeiterverein. Das ist eine ganze andere Kultur. Da muss auch ich umdenken. Meine Arbeit bei Hertha wird sich von der auf Schalke ganz bestimmt unterscheiden.

Das hat auch Hertha-Manager Dieter Hoeneß schon angedeutet. „Sicher muss sich Huub Stevens da etwas ändern, aber er wird sich da auch etwas ändern“, hat er bei Bekanntgabe Ihrer Verpflichtung gesagt. Wo besteht am meisten Änderungsbedarf?

Es wird ganz wichtig sein, wie ich mit dem Umfeld umgehe – und damit meine ich in erster Linie die Medien. Das hat in Berlin ja eine ganz andere Dimension als in Gelsenkirchen. Und es bestimmt natürlich auch die Art, wie man sich in der Öffentlichkeit gibt. Das alles werde ich im Sommer kennen lernen – und vernünftig damit umgehen. Ich hoffe, dass die Berliner mir dabei behilflich sind.

Haben Sie denn schon Kontakt mit einem Herrenausstatter aufgenommen?

(lacht aus voller Brust) Aber nein! Das sind doch alles Details. Das ist doch alles nicht so wichtig. Klar bin ich auf Schalke auch bei den Spielen im Trainingsanzug auf der Bank gesessen. Aber wenn das nicht zu Berlin passt, dann mache ich das auch nicht. Da muss ich mich halt umstellen, das ist doch gar kein Problem.

Sie versprechen uns aber, dass wir Sie in Berlin schon auch in ihrem blauen Trainingsanzug zu sehen bekommen.

Ich hoffe doch schwer, dass ich zumindest auf dem Trainingsplatz im Trainingsanzug erscheinen kann.

Herr Stevens, bereits im Vorfeld schien es hier etwas Skepsis gegenüber Ihrer Verpflichtung zu geben, zumal Ihr Vorgäner Jürgen Röber zuletzt großen Erfolg hatte. Bei einer Umfrage von Bild antworteten 81,5 Prozent der Leser auf die Frage, ob Sie hauptstadtkompatibel seien, mit Nein.

Ach, das sind so Dinge, die in den Zeitungen stehen, damit muss man umgehen können. Ich habe damit jedenfalls kein Problem. Mein Job ist es nun, das Gegenteil zu beweisen. Es geht ja nicht um meine Person, sondern um den Verein und den Erfolg. Das ist das Allerwichtigste.

Der Tagesspiegel hat geschrieben, viele Hertha-Fans stellten sich die Frage: Was kann Stevens, was Röber nicht kann? Vielleicht können Sie uns eine Antwort geben.

Das kann ich nicht. Ich kann nur sagen, dass ich die Arbeit von Jürgen Röber immer mit unheimlich viel Respekt beobachtet habe. Viel wichtiger scheint mir ohnehin, dass beide Vereine jetzt in Ruhe weiterarbeiten können: Jürgen Röber bei Hertha und ich auf Schalke. Alles andere wird erst nach der Saison aktuell.

Das ist jetzt aber sehr bescheiden. Sie hätten auch einfach Uefa-Cup und DFB-Pokal ins Feld führen können, die Sie im Gegensatz zu Röber schon gewonnen haben.

Aber das zählt doch nichts mehr, wenn ich im Sommer bei Hertha anfange. Da geht es wieder bei null los und ich hoffe nur, dass ich auch mit Berlin so erfolgreich sein kann.

Wie sehr werden Sie bei Hertha in die Planungen für nächste Saison involviert sein?

Ich gehe davon aus, dass Dieter Hoeneß mich informiert, wenn mit Spielern für die nächste Saison verhandelt wird. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Hertha Spieler verpflichten möchte, mit denen der Trainer dann nicht einverstanden ist.

Was gab den Ausschlag, auf Schalke zu kündigen und zu Hertha zu wechseln?

Ich habe nach einer neuen Herausforderung gesucht. Und ich denke, dass es auch für Schalke gut ist, dass da ein neues Gesicht zu der Truppe kommt. Wenn man als Spieler sechs Jahre lang die gleiche Stimme hört und das gleiche Gesicht sieht, dann nutzt sich das doch etwas ab. Ich bin mir jedenfalls sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Hertha-Manager Dieter Hoeneß hat gesagt, bei den Verhandlungen seien Sie und er über das Sportliche schnell einig gewesen. Welches sind Ihre Ziele mit Hertha?

Das kann man derzeit noch nicht sagen, ich weiß ja noch gar nicht, wie der Kader für die nächste Saison aussieht. Ich kann nur sagen, dass ich immer gewinnen möchte. Und wenn man das tut, dann steht man am Ende ganz oben. Wobei ich durchaus weiß, dass es unmöglich ist, immer zu gewinnen.

Zudem haben Sie kürzlich gesagt, auch mal länger als vier Minuten deutscher Meister sein zu wollen. Darf sich Berlin schon auf die Schale freuen?

Das möchte man gerne. Und man erhofft sich das. Jedenfalls kann ich mir sehr gut vorstellen, dass in der Hauptstadt so gedacht wird. Aber noch mal: Erst muss man schauen, wie der Kader aussieht. Erst dann kann man Ziele setzen. Dass ich auch einmal Meister werden möchte, ist doch ganz normal.

Auf Schalke waren Spieler aus den Niederlanden und Belgien maßgeblich am Erfolg beteiligt. Wird auch bei Hertha bald flämisch gesprochen?

Nein. In Berlin wird weiterhin genauso deutsch gesprochen wie auf Schalke. Es geht ja immer darum, Spieler zu verpflichten, die zu dem Verein passen, auch finanziell. In Schalke war da eben der ein oder andere Landsmann von mir dabei.

Wie schätzen Sie die aktuelle Hertha-Mannschaft ein? Was kann sie diese Saison noch erreichen?

Das ist ganz schwierig zu sagen. Ich habe Hertha ja erst zweimal in dieser Runde gesehen – und beide Male haben sie stark gespielt. Mehr ins Detail kann ich allerdings nicht gehen. Ich stehe ja nicht tagtäglich mit den Hertha-Spielern auf dem Platz.

Aber mit denen von Schalke. Was haben Sie sich für diese Saison noch vorgenommen?

Wir wollen ins internationale Geschäft. Und es ist unser Wunsch, wieder ins DFB-Pokal-Finale zu kommen. Das war letztes Jahr wirklich ein tolles Erlebnis. Wenn wir das wieder schaffen, sind wir sehr zufrieden.

Dort könnten Sie dann unter Umständen auf Ihre neue Mannschaft treffen. Für wen schlüge dann Ihr Herz?

Es geht ja nicht darum, für wen das Herz schlägt, sondern darum, bei welchem Verein man unter Vertrag steht und dass man für diesen Verein bis zum letzten Tag alles gibt. Und wenn die Saison dann vorbei ist, wünsche ich mir, dass Hertha erfolgreich ist und Pokale gewinnt.

Ist es für Sie durch den Wechsel vielleicht sogar noch wichtiger geworden, am Ende vor Hertha zu stehen?

Nein. Hertha kann ruhig vor uns stehen – aber nur wenn wir uns auch fürs internationale Geschäft qualifizieren und somit unser Ziel erreichen.

Herr Stevens, gestatten Sie zum Schluss noch eine Frage, die hier in der Hauptstadt brennend interessiert: Wie schaffen Sie es nur, dass Ihre Frisur immer so tadellos sitzt?

(lacht zum dritten Mal) Oh! Da brauche auch ich ab und zu etwas Gel. Sonst stehen die auch bei mir in alle Richtungen.