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Huren auf der Straße stehen schlechter da

Nur Edelhuren, fürchten Experten, profitieren vom neuen Gesetz. Straßenprostituierten drohen gar Nachteile

„Im Bereich professioneller männlicher Prostitution wird die Veränderung gegen null gehen“, sagt Andreas Kippe von der Callboy-Beratungsstelle querstrich. Begeistert über die neue Regelung sei kaum einer der professionellen Sexarbeiter. Die meisten wollen auch weiterhin anonym bleiben und fürchten nun verstärkte Kontrollen von staatlicher Seite und höhere Abgaben.

Nur 200 bis 300 der männlichen Prostituierten in Berlin arbeiten als Vollprofis. Insgesamt, schätzt Kippe, seien es 5.000. Die große und oft auch minderjährige Masse steht am Bahnhof Zoo oder sucht in den Schöneberger Szenekneipen nach Kunden. Auch ihnen bietet die Gesetzesnovelle nicht viel mehr als ideelle Hilfe. Wenige von ihnen sind schwul, viele schaffen aus einer Notlage heraus an. Sie haben keine Wohnung, keine Arbeitserlaubnis und oft nicht einmal eine Aufenthaltsgenehmigung. Ihren Lohn werden sie deshalb auch in Zukunft nicht einklagen.

Vor Gericht müssten sie ihre sozialen Verhältnisse offen legen. Doch dazu wären nur wenige bereit, sagt Lutz Volkwein vom Stricherprojekt subway. „Das Stigma ist viel größer als bei Frauen. Ein Junge, der nicht schwul ist, aber für Geld mit Männern schläft, wird von den meisten verachtet.“ 15 Prozent der Straßenjungs hätten zudem Drogenprobleme, berichtet Volkwein. Wer aber an der Nadel hängt und anschafft, wird auch in Zukunft keine Krankenversicherung finden. „Deshalb bringt das Gesetz auf der Straße überhaupt nichts. Im Gegenteil. Es gibt jetzt besser gestellte Callboys und illegale Stricher.“ Im ungünstigsten Fall, befürchtet Volkwein, wird die Prostitution auf der Straße wachsen. Denn der Preisunterschied zwischen gemeldeten Callboys und schwarzarbeitenden Strichern wird zunehmen.

Mehr Sinn macht die Regelung für die 8.000 bis 10.000 weiblichen Prostituierten der Stadt. Allein in Berlin gibt es 500 bis 600 bordellartige Betriebe, schätzt Andrea Petsch vom Hurenprojekt Hydra. Die dort beschäftigten Frauen könnten jetzt Arbeitsverträge bekommen, mit Weihnachts- und Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und eigenen Betriebsräten.

Doch Felicitas Wegemann, eine Vorkämpferin der Legalisierung und Berlins erste offizielle Bordellbesitzerin, wiegelt ab. „Wenn die Frauen fest angestellt sind, werden sie sich wundern wie wenig Geld übrig bleibt.“

Auch herrsche noch große Ratlosigkeit bei Detailfragen, sagt die Bundestagsabgeordnete Christina Schenk (PDS). „Das größte Problem sehe ich bei der Rentenversicherung. Es ist unklar, ob hier die Angestellten- oder die Arbeiterversicherung zuständig ist.“ Unklar sind auch die weiteren Konsequenzen: Wie steht es um den Kündigungsschutz und wer zahlt die Babypause für schwangere Huren?

„Wir haben jahrelang für die Aufhebung der Sittenwidrigkeit gekämpft“, sagt Andrea Peschke von Hydra. „Für die Umsetzung brauchen wir erst mal Zeit.“ Viel Zeit, meint Andreas Kippe von querstrich. „Bis Sexarbeit nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich akzeptiert wird, vergehen noch Jahrzehnte.“

THILO KUNZEMANN

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