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Schuld ist der psychopathische Pinguin

■ „Der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet“: Zoran Drvenkars neues Kinderbuch erzählt vom Winter-Schlaf und warum der Winter damit nicht aufhören will

Schuld an allem ist ein Psychopath. Genauer: ein Pinguin, der verhindern wollte, dass der Winter einschliefe und seinen Pinguin-Diener dann nicht mehr brauchte. Denn am allerschlimmsten ist für Pinguine, dass sie nicht fliegen können. Sagt Der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet in Zoran Drvenkars gleichnamigem Kinderbuch, aus dem der 1967 in Kroatien geborene, seit langem in Deutschland lebende Autor heute liest.

In seinem vorangegangenen Werk – dem Jugendbuch Touch The Flame – hatte Drvenkar die fragile Beziehung eines Jungen zu seinem kriminellen Vater ins Zentrum gestellt und das Changieren zwischen Zärtlichkeit und Verachtung in sensiblem Jugendsprech formuliert. Jetzt hat er ein poetisches Wintermärchen für Kinder ab acht Jahren geschrieben, das keineswegs so hausbacken daherkommt, wie man vielleicht vermuten könnte.

Der Plot: Schon seit einem Jahr herrscht Winter in der Stadt des Jungen Ricki – und irgendwann reicht es ihm einfach. Also zieht er los, dem hartnäckigen Winter die Leviten zu lesen. Er steigt in den erstbesten Zug, dessen Schaffner ihm Zarminski als möglichen Aufenthaltsort des Winters nennt. Dort allerdings trifft Ricki zunächst nur einen verkleideten Pinguin, der allerdings verspricht, ihn zum Winter zu führen. Was er auch macht – doch er versucht mehrere Täuschungsmanöver, bevor Ricki den genauen Hergang erfährt: Dass nämlich der Pinguin, als Diener beim Winter im Hotel vier Jahreszeiten eingestellt, nicht wollte, dass es Frühling und er selbst damit überflüssig würde. Und er deshalb den Aufzug, in dem der Winter zum Frühlings-Wachküssen fahren wollte, gestoppt hat, sodass die Jahreszeiten stehengeblieben sind.

Doch selbstverständlich wird der Winter befreit am Ende des Buches, und auch der Frühling wird wachgeküsst. Aber das ist gar nicht das Besondere an der Geschichte. Eindrucksvoll ist vielmehr Rickis unspektakulärer Pragmatismus, welcher der Resignation der Erwachsenen weit überlegen ist und tatsächlich zur Lösung führt.

Eine fröhliche Geschichte über den unblutigen Kampf gegen die Kälte, die manchmal bloß von einzelnen, komplexbeladenen Psychopathen erzeugt wird. Die aber letztlich ganz harmlos sind. Wie der verrückte Pinguin.

Petra Schellen

Lesung: heute, 15 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik

Zoran Drvenkar, Der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet, Carlsen Verlag, Hamburg 2001, 96 S., 22 Mark

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