: Im Haushalt klafft ein Krater
Die Hauptstadt ist seit langem pleite. Berlin kann nur 40 Prozent seiner Ausgaben durch Steuereinnahmen decken. Der rot-rote Senat spart jetzt auch im Westteil der Stadt
BERLIN taz ■ An der Sanierung des katastrophalen Berliner Landeshaushaltes sind bisher noch alle Regierungen gescheitert. Mit Vorsicht ist also auch die Ankündigung des neuen rot-roten Senats zu genießen, auf absehbare Zeit einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben ist schier unüberbrückbar. Das liegt nicht nur an den in den vergangenen 40 Jahren aufgebauten teuren Doppelstrukturen in Ost und West – es liegt vor allem an der geringenWirtschaftskraft der Stadt, die historisch unter einer doppelten Strukturschwäche zu leiden hat: In Westberlin dominierten verlängerte Werkbänke westdeutscher Unternehmen, und die Ostberliner Unternehmen waren nach der Wende nicht konkurrenzfähig.
In Zahlen ausgedrückt: Berlin kann gerade mal 40 Prozent seines Haushaltes durch eigene Steuereinnahmen decken, besitzt in etwa die gleiche Steuerkraft wie Hamburg – bei rund doppelt so vielen Einwohnern. Verwunderlich ist die Steuerschwäche nicht, hat doch kein Großkonzern seinen Hauptsitz in Berlin, und die Arbeitslosenquote liegt bei satten 16 Prozent.
Bis 1990 fiel dieses strukturelle Defizit nicht weiter auf, der Bund deckte zu rund 50 Prozent den Landeshaushalt. Seit er das nicht mehr tut, ist die Verschuldung des Landes dramatisch gestiegen: von rund 20 Milliarden Mark auf nunmehr fast 80 Milliarden Mark.
Enstprechend wuchsen die Zinslasten – auf täglich rund 6 Millionen Euro. Berlin hat Mitte der 90er-Jahre versucht, das Ruder herumzureißen. Das Sparen im öffentlichen Dienst sollte Ausgaben senken, der Verkauf von Landesvermögen die Einnahmen stärken. Die kommunalen Strom-, Gas- und Wasserbetriebe wurden privatisiert, bei der Sanierung des Haushaltes gewann man damit aber lediglich Zeit.
Jetzt ist das Tafelsilber weg, die Schulden sind geblieben – allerdings wären sie noch höher, wären die Verkaufserlöse durch mehr Schulden ersetzt worden. Die designierte rot-rote Landesregierung will diesen Sparkurs fortsetzen: im öffentlichen Dienst soll eine Milliarde Euro weniger ausgegeben werden, bei der Sozialhilfe wird gekürzt, der Teilverkauf öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften ist beschlossen.
Und Rot-Rot beginnt zudem, subventionierte Einrichtungen des alten Westberlin abzuwickeln – zum Beispiel die Uni-Klinik der FU, mehrere Theater, das Polizeiorchester.
RICHARD ROTHER
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