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Fernsehjournalist wird EP-Präsident

Der irische Liberale Pat Cox will das Straßburger Parlament attraktiver machen: Sell your story, lautet die Devise

BRÜSSEL taz ■ Es sei ein „bittersüßer Moment“ für ihn, sagte der Ire Pat Cox bewegt, als ihn die KollegInnen im Europaparlament Dienstagabend endlich zum neuen Vorsitzenden gekürt hatten. Zunächst fünf, im dritten Wahlgang schließlich drei Kandidaten hatten um die absolute Mehrheit gekämpft – eine Premiere im Straßburger Plenum.

Bislang hatten die beiden großen Fraktionen, die Konservativen und die Sozialisten, die Wahlperiode einvernehmlich unter sich aufgeteilt. Doch nach der Europawahl 1999 war Schluss mit diesem Ritual – ein Zeichen dafür, dass die politische Bedeutung des Parlaments und damit auch die seines oder seiner Vorsitzenden gewachsen ist. Die rechtsliberale Nicole Fontaine setzte sich damals in einer Kampfabstimmung gegen den portugiesischen Sozialisten und Alterspräsidenten Mario Soares durch. Sie wurde von den Liberalen unterstützt, die im Gegenzug ihren Kandidaten für die zweite Hälfte der Legislatur auf dem Chefsessel sehen wollten.

Nicole Fontaine, die als Vizepräsidentin des EP diplomatisch geschickt agiert hatte, war als Chefin für viele ihrer KollegInnen eine Enttäuschung. Ihre Forderung nach mehr Transparenz im Ministerrat und mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten für das Parlament wirkte wie ein freundlich-unverbindliches Lippenbekenntnis. Für die Menschenrechte in der Dritten Welt schien sie mehr politische Energie einzusetzen als für Demokratie vor der eigenen Haustür.

Mit dem Amtsantritt von Cox sind die Lebensgeister vieler Abgeordneter neu erwacht. „Ich spüre in diesem Haus Appetit auf einen Wechsel“, sagte er in seiner Bewerbungsrede. „Wir wollen weniger Abstimmungsmarathon und uns nicht länger in technischen Details verzetteln.“ Er wolle das Haus politischer machen und die zeitraubenden Feinheiten in Sachfragen in die Ausschüsse verlegen.

Der gelernte Wirtschaftswissenschaftler Cox hat beim irischen Fernsehen als Moderator gearbeitet, bevor er eine politische Laufbahn einschlug. Er weiß, dass die Arbeit des Europaparlaments in ihrer jetzigen Form in den Medien kaum zu vermitteln ist. Deshalb plädiert er dafür, sich von dem Ritual zu verabschieden, dass die Abgeordneten über mehrere Stunden über winzige Formulierungsänderungen einer Vorlage abstimmen, die ohnehin kein Laie mehr versteht. Stattdessen sollen im Plenum mehr spannende Grundsatzdebatten geführt werden: „Have our story, tell our story, sell our story.“

Die guten Vorsätze fallen in eine Phase europäischer Politik, wo Erweiterung und Reform für erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit sorgen. Dass in dieser wichtigen Periode ein Abgeordneter „vom Rand unserer europäischen Welt“, wie Cox seine Insel selbst verortet, und aus der mit 53 Abgeordneten eher kleinen liberalen Fraktion den Vorsitz des Hohen Hauses übernimmt, bezeichnete Cox als „mächtige Botschaft“.

Cox steht für eine EU der „Einheit in Vielfalt“. So ist es sicher programmatisch zu verstehen, dass er seine Dankesrede überwiegend in Englisch hielt, seine Vorgängerin Nicole Fontaine aber in korrektem Schulfranzösisch ansprach und für seine Landsleute auf der grünen Insel einen kleinen Abschnitt in Gälisch einflocht – denn das ist zwar keine Arbeitssprache, aber eine offizielle Sprache in der EU.

DANIELA WEINGÄRTNER

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