: Argentinien wackelt
Präsident will Peso-Kurs in 5 Monaten freigeben. Lob vom IWF, Anleger flüchten in Dollar. Seit Wechselkursfreigabe Abwertung um 50 Prozent
aus Buenos Aires INGO MALCHER
In dem beschaulichen Ort Casilda im Nordwesten Argentiniens wurden am Dienstag alle fünf Bankfilialen verwüstet. Aufgebrachte Demonstranten warfen Gehwegplatten in die Fenster und rammten die Gebäude mit Traktoren. Auch in der nahe gelegenen Provinz Jujuy zerstörten Demonstranten mehrere Bankfilialen und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. In Buenos Aires, wo Arbeitslose und Rentner gegen die Finanzpolitik der Regierung demonstrierten, blieb es dieses Mal friedlich.
Präsident Eduardo Duhalde steht unter Druck. Noch immer sind die Konten der Argentinier eingefroren. Ab 3.000 Pesos können Guthaben weder abgehoben noch überwiesen werden. Die eingefrorenen Konten nennt Duhalde zwar „eine Zeitbombe“, da sie über seine politische Zukunft entscheiden können. Aber die Regierung fürchtet, dass die Banken anderenfalls alles Geld abheben würden. Das hätte den Zusammenbruch mehrerer Banken zur Folge, denn das Geld ist schlicht nicht da.
Eine weiteres Problem der Regierung: Würden die Konten aufgetaut, ist damit zu rechnen, dass viele Pesos in die Fluchtwährung Dollar gewechselt würden, was den Peso stark unter Druck setzen würde. Für den Außenhandel ist der Dollarkurs bei 1,40 Pesos festgelegt. Für alle anderen Finanzgeschäfte schwankt die argentinische Währung. Am Dienstag ging der Peso so stark in die Knie, dass die Zentralbank bei einem Dollarpreis von 2,05 Pesos eingriff und Devisen zum Preis 1,70 Pesos vom Markt wegkaufte. Gegen Ende des Tages schloss der Dollar bei 1,85 bis 1,90 Pesos. Der Dollarpreis und die Inflation sind die beiden wichtigsten Parameter, die die Regierung aus Gründen der Stabilität unter Kontrolle halten muss.
Aber noch ist der Devisenmarkt in Buenos Aires klein und undurchsichtig. Die dunklen Wechselstuben im Zentrum bieten allesamt unterschiedliche Dollarpreise an. Auch scheint es, dass relativ wenige Pesos getauscht werden. So benötigte die Zentralbank für ihre Intervention am Dienstag nur 8,8 Millionen Dollar, um den Dollarkurs zu drücken. Ziel der Zentralbank ist es, den freien Dollarkurs so nahe wie möglich an den offiziellen Wechselkurs von 1,40 Pesos anzupassen, um dann in einem zweiten Schritt den Peso frei schwanken zu lassen, wie Duhalde am Dienstag ankündigte. Er hoffe, dass dies „in vier bis fünf Monaten der Fall sein wird“.
Die Aussicht auf einen frei schwankenden Peso sorgte für zufriedene Mienen bei einer Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF), die sich gerade in Buenos Aires befindet. IWF-Chef Horst Köhler kündigte an, der IWF stehe bereit, Argentinien zu helfen, wenn die Regierung einen schlüssigen Plan aufstelle, der dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum fördere. Argentinien hat bei internationalen Kreditgebern um 15 bis 20 Milliarden Dollar gebeten, vor allem um das wackelige Bankensystem zu stützen. Allerdings weiß Präsident Duhalde selbst noch nicht so genau, wohin es wirtschaftspolitisch gehen soll.
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