Unlautere Zahl

Innensenator Ronald Schill balanciert mit der Polizeistatistik. Straßenraub und Wohnungseinbrüche gehen zurück  ■ Von Elke Spanner

Die 100-Tage-Bewährungsfrist ist bald abgelaufen, aber natürlich war alles nicht so gemeint. Niemals habe er das Wahlversprechen abgegeben, die Kriminalität in Hamburg bis zum Ablauf dieser Zeit zu halbieren, ruderte Innensenator Ronald Schill gestern zurück. Er habe die Ankündigung nicht im Wahlkampf ausgesprochen, sondern bei Gründung seiner Partei ein Jahr zuvor, und zudem sei die Rede nie allgemein von Kriminalität, sondern immer nur von „Verbrechen“ gewesen – also von Delikten, auf die mindestens ein Jahr Gefängnis steht. „Das streben wir mit Entschlossenheit an.“ Gestern jedoch musste Schill erst einmal verkünden, dass die Kriminalitätsrate in Hamburg im vergangenen Jahr, auch seit seiner Amtsübernahme, weiter gestiegen ist.

Schill nannte die Zahl von 12,1 Prozent – damit wären so viele Straftaten begangen worden wie nie zuvor. Von seinem neuen Polizeipräsidenten Udo Nagel musste er sich aber darauf hinweisen lassen, dass die Zahl verfälscht ist: Sie ist nur deswegen so hoch, weil 2001 ein jahrelanges Ermittlungsverfahren gegen Kapitalanlagebetrug abgeschlossen wurde und in die Statistik einging – mit allein fast 27.000 Einzelfällen. Rechne man dieses eine Großverfahren aus der Statistik raus, verbleibt laut Nagel nur eine Gesamtsteigerung um 2,8 Prozent. Und so bereinigt war die Kriminalitätsrate nicht im vorigen Jahr, sondern 1992 die höchste der Hamburgischen Geschichte.

Auffallend ist, dass die Delikte, durch die sich die Bevölkerung bedroht fühlt, im vergangenen Jahr ohnehin stark zurückgegangen sind: Handtaschenraub wurde um 27,2 Prozent weniger begangen, sonstige Raubtaten auf der Straße um 16,2 Prozent. Ebenso wurden im Vorjahr weniger Wohnungseinbrüche verübt als 2000: Die Zahl sank um 19,3 Prozent. Auch die Zahl der bei der Polizei gemeldeten Vergewaltigungen ist leicht zurückgegangen.

Gestiegen ist vor allem die Zahl der Vermögensdelikte. 45 Prozent mehr Betrug, 40,9 Prozent mehr Vermögens- und Fälschungsdelikte – also Straftaten, denen mit Polizeistreifen auf der Straße nicht beizukommen ist. Dennoch wird Innensenator Schill in den kommenden Monaten mehr BeamtInnen auf Patrouille schicken. Seine Behörde, kündigte er an, werde zunächst gegen die sichtbaren Täter vorgehen und Schwerpunkte setzen auf die Bekämpfung der offenen Drogenszene (Steigerung Rauschgiftdelikte um 6,8 Prozent) sowie die „Bekämpfung der jugendlichen Gewalttäter, insbesondere der Intensivtäter“. Zudem hat er die Ausländerbehörde bereits angewiesen, ausländische Straftäter „die volle Härte des Ausländerrechts spüren“ zu lassen.

Die offene Drogenszene will Schill vorübergehend „in ein sozial verträgliches Gebiet verlegen“. Langfristig aber soll sie „zerschlagen“ werden, kündigt Schill an – und wirft gleichzeitig dem alten Senat vor, in den neunziger Jahren „etwas sehr Unvernünftiges getan zu haben, als durch den Verfolgungsdruck in St. Georg die Szene zerfleddert wurde“.