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Annäherung zum gegenseitigen Ergötzen

■ Der Ausgeher (4): Es ist einer gewissen Ratlosigkeit geschuldet, dass Blohm und Voss in die Abenteuer des Ausgehers geraten und – den Wall entlang spazierend – von dem Wort „Lemon Lounge“ gelockt werden

Blohm: Was ist eigentlich eine Lounge? Mir scheint sich nicht soviel verändert zu haben, seit es noch schlicht das Wall-Café war.

Voss: Keine Ahnung. Die Bar – mit Sitzen anstelle von Hockern – ist neu. Und die wunderschönen, einladend ausladenden roten Sofas auf der oberen Ebene auch.

Blohm: Auf denen ist leider kein Platz. Gepflegter Jazz, nett, immer noch ein schöner Raum. Muss man hier eigentlich jetzt Cocktails trinken, wo es eine Lounge ist?

Voss: Ich bleibe beim Bier. Das kostet hier auch nicht mehr als anderswo.

Blohm: Was immer noch mehr ist als früher. Ach, ich klinge schon so, wie meine Schwiegermutter, die von Hastedt in die Vahr fuhr, weil dort die sauren Gurken fünfzehn Pfennig billiger waren ...

Voss: Hinten ist ein Tisch frei. Von dort aus haben wir einen guten Blick.

Blohm: Sie meinen, weil Sie dann näher an der attraktiven jungen Dame sitzen.

Voss: Was denken Sie von mir?!

Blohm: Nur Gutes.

Voss: Sie meinen, ich könnte nicht einfach den Raum auf mich wirken lassen wollen? Ob sie auf jemanden wartet?

Blohm: Vielleicht auf Sie?

Voss: Sie sind gewöhnlich.

Blohm: Keineswegs. Aber warten wir es ab. Da ist noch jemand ohne Begleitung.

Voss: Sie meinen diesen ungepflegten Mann, der sich seinem Alter nicht angemessen kleidet?

Blohm: Wenn Sie so wollen ...

Voss: Er hat sie auch schon gesehen.

Blohm: Eifersüchtig?

Voss: Sie scheinen sich bereits zu kennen.

Blohm: Oder es ist einer dieser abgefeimten Typen, die keine Hemmungen in diesen Dingen haben ... Wie beneidenswert. Verstehen Sie mich nicht falsch. Sie wissen, dass ich glücklich verheiratet bin. Aber ich habe Respekt vor einer zielstrebigen Vorgehensweise, die die Produktion von Ergebnissen beschleunigt.

Voss: Die beiden müssen sich kennen. Es sieht zumindest in dieser Lounge nicht so aus, als ginge man ausgerechnet her, um jemanden kennenzulernen. Sehen Sie, hier ist fast niemand allein.

Blohm: Das ist sicherlich richtig. Aber vielleicht nutzt er nur die Gunst der Stunde. Warum soll stets allein bleiben, wer sich auch versammeln kann? Ach, man sieht es selten, wie sich zwei Menschen zum gegenseitigen Ergötzen einander nähern ...

Voss: Sie sind ungewöhnlich leutselig.

Blohm: Sie ist ungewöhnlich interessant.

Voss: Es ist ungewöhnlich leer geworden.

Blohm: Es ist für meine Verhältnisse ungewöhnlich spät geworden.

Voss: Wir sind für unsere Verhältnisse ungewöhnlich nüchtern.

Blohm: Wir sollten etwas Ungewöhnliches tun!

Voss: Wir sind ja schon mittendrin. Gehen wir doch noch woanders hin. Vielleicht sollten wir in die BEGU fahren.

Blohm: Dass es die gibt, glaube ich erst, wenn ich sie sehe. Ungewöhnlich wäre es immerhin. Ich möchte jedenfalls nicht unbedingt wissen, wie die Geschichte endet. Kommen Sie, Voss, wir nehmen ein Taxi und fahren noch ins Viertel. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht noch auf unsere Kosten kommen, zumal – wenn Sie mir den schlechten Witz gestatten,– diese seit der Währungsreform rasant gestiegen sind.

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