Eine Frau mit Format

■ Senatorin Hilde Adolf verunglückte tödlich auf dem Heimweg / Die beliebte und „geradlinige Sozialdemokratin“ hatte es mit ihrer politischen Arbeit nicht immer leicht

Mit erst 48 Jahren war Hilde Adolf eine der Jüngeren im Bremer Senat. Und doch war sie eine Sozialdemokratin vom alten Schlag. In zahllosen Mitteilungen trauerten gestern Politiker und Kollegen über einen „aufrechten“, „verlässlichen und glaubwürdigen“ Menschen. Christian Weber, Präsident der Bremischen Bürgerschaft, würdigte Hilde Adolf als eine Frau, „die mitten im Leben stand, voller Kraft und Herzlichkeit“. Ihr Parteigenosse und Bürgermeister Henning Scherf sagte „Ich habe einen wunderbaren Menschen und eine großartige Kollegin verloren“. Bremen flaggte gestern Halbmast. In den Foyers von Rathaus und Bürgerschaft liegen weiterhin Kondolenzbücher aus, in die sich schon gestern viele BürgerInnen eintrugen.

Am Mittwochabend fuhr Hilde Adolf nach dem letzten Termin um halb acht Uhr abends heimwärts nach Bremerhaven. Auf der A 27, in der Nähe von Schwanewede, geriet ihr Dienstwagen beim Versuch, einen Lastwagen zu überholen, ins Schlingern. Laut Polizeibericht prallte der Wagen gegen die linke Leitplanke und schleuderte dann gegen eine Baumgruppe. Näheres zum Unfallgeschehen könne man erst nächste Woche sagen. Hilde Adolf verstarb noch am Unfallort. Sie hinterlässt ihren Ehemann und einen Sohn.

Für Karoline Linnert, die Vorsitzende der grünen Bürgerschaftsfraktion war Adolf eine der wenigen Politikerinnen, „die wirklich eine Vorstellung von Gesellschaft hatte“, für die die „Frage von Gerechtigkeit große Bedeutung hatte.“ Die Fraktionen beider Regierungsparteien waren sich gestern einig, dass mit dem Tod von Hilde Adolf ein Anwältin für die Schwächeren in der Gesellschaft verloren ging. Trotz ihres Senatorenamtes habe sie den natürlichen Umgang mit Menschen beibehalten. Linnert: „Es war Teil ihres Selbstverständnisses, nicht abzuheben.“

Die Grünen hatten mit ihr eine Gegnerin von Rang: Denn während sie einerseits einen gradlinigen Politikstil pflegte, scheute sie sich andererseits nicht, sozialdemokratische Kühe zu schlachten. Mit dem Slogan „Fördern und fordern“ nahm sie den Weg modernisierter Sozialdemokraten, wie ihn Bundeskanzler Schröder vormacht, auf und forderte einen tabulosen Umgang mit den Empfängern staatlicher Hilfen. Ihr Ressort erbrachte eine enorme Sparquote, der unter anderem das Landespflegegeld, von dem hauptsächlich Blinde profitierten, zum Opfer fiel. Die Privatisierung etlicher Arbeitsmarkt-Förderprogramme in der Bag (Bremer Arbeit GmbH) machte Adolf auch in den Augen der CDU zu einer respektablen Sozialpolitikerin. „Eine der fähigsten Frauen mit Zukunft ist der Politik entrissen“, schreiben auch Bag-Geschäftsführerin Katja Barloschky und ihre Mitarbeiterinnen.

Aber nicht alle Reformen waren inner- und außerhalb der Behörde gelitten. „Die Sachen, um die sie sich selbst gekümmert hat, trugen eine sehr angenehme, eigene Handschrift“, sagt Linnert. Das Ressort aber sei schlicht zu groß. Und die Veränderungen seien zu zahlreich und zu schnell gekommen.

Dabei war die Mammut-Behörde in Bremen nur eine von zwei Baustellen, auf denen sie werkelte. Ihre Herkunftsstadt Bremerhaven war die zweite. Für die SPD im Zwei-Städte-Staat war es eine glückliche Fügung, dass sie mit Hilde Adolf eine kompetente Politikerin in ihren Reihen hatte, mit der sie die Bremerhaven- und die Frauenquote zugleich erfüllen konnten. Traditionell wird einer der zur Zeit sieben SenatorInnen von der Seestadt gestellt. Dort wird sie als burschikose ,Mutter der Partei' verehrt. In uneitler und vermittelnder Weise habe sie immer wieder Streit geschlichtet und die Wogen geglättet, die im kleinen Bremerhaven oft hoch schlagen.

1953 wurde Hilde Adolf dort geboren. Nach dem Abitur und einem Jura-Studium, das sie in Bremen und Göttingen absolvierte, leitete sie von 1988 bis 1995 das Bremerhavener Büro der Zentralstelle für Gleichberechtigung. „Sie war ja nicht nur fachlich gut, sondern auch ausgesprochen humorvoll“, berichtet die Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe. Bis sie im Sommer 1999 Senatorin wurde, spottete sie beim Bremerhavener Kabarett „Die Müllfischer“ über ihre eigene Arbeit und die ihrer Parteifreunde. Hilde Adolfs Weg von der Frauenbeauftragten über die Bürgerschaft (1995 bis 1999) bis zu ihrem Amtsantritt als Senatorin für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit vollzog sich geräuschlos und ohne offensives Karriere-Betreiben. Sogar als mögliche Nachfolgerin Scherfs wurde die resolute Politikerin gehandelt. hey/sgi