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Rechtsextreme outen Pfeffer und Salz

In Angermünde und Schwedt kursiert derzeit eine so genannte „Anti-Antifa“-Broschüre. Presserechtlich verantwortlich dafür ist das Berliner NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank Schwerdt, als Bestelladresse fungiert die „Anti-Antifa Berlin“

Das Titelblatt sieht aus wie eine Veröffentlichung aus den Verfassungsschutzmaterialien zum Thema Linksextremismus. Vor wehenden Fahnen mit dem Symbol der Antifaschistischen Aktion starren den Betrachter finstere Vermummte an. Doch statt trockener Behördensprache finden sich in der zwölfseitigen Broschüre vor allem Namen, Porträts und detaillierte Steckbriefe von Mitgliedern des alternativen Vereins „Pfeffer und Salz“ aus Angermünde. Das Heft, das auf den Internetseiten der militanten Freien Kameradschaften unter dem Stichwort „Anti-Antifa“ für zwei Euro angepriesen wird und auch an Schulen in Schwedt verteilt wurde, ist der jüngste Versuch aktiver Neonazis, nicht-rechte und alternative Initiativen in Brandenburg zu „outen“. Presserechtlich verantwortlich ist das Berliner NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank Schwerdt, als Bestelladresse fungiert die „Anti-Antifa Berlin“.

Dass derartigen Machwerken Taten folgen, haben die Mitglieder von „Pfeffer und Salz“ mehrfach zu spüren bekommen. Insgesamt 38 Angriffe, darunter zwei Brandanschläge, auf den einzigen linken Jugendclub in der Region Barnim-Uckermark, das Literaturcafé in Angermünde, hat der Lehrer Holger Zschoge gezählt. „Die rechte Hegemonie hat in der Region Schwedt, Angermünde und Prenzlau eine mittlerweile zehnjährige Kontinuität“, sagt Zschoge. Im Dezember hat er daher gemeinsam mit „Pfeffer und Salz“ eine detaillierte Broschüre namens „Rechtsextremismus – Auf der Suche nach der Zivilgesellschaft, Uckermark“ erstellt. Die hat „Pfeffer und Salz“ nicht nur den Zorn von Rechtsextremisten, sondern bei kommunalen Entscheidungsträgern auch den Ruf als „Nestbeschmutzer“ eingebracht.

Das Polizeipräsidium Eberswalde sorgt sich indes wegen des Neonazihefts. „Momentan wird von Seiten der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) noch geprüft, ob strafrechtlich relevante Inhalte verbreitet werden“, sagt Polizeisprecher Toralf Reinhardt. Hinweise auf eine akute Bedrohung der namentlich Genannten lägen nicht vor.

Holger Zschoge ist da skeptischer. Schon einmal warfen ihm stadtbekannte Neonazis mit Feldsteinen die Fenster ein. „Außerdem gibt es hier kaum eine Veranstaltung von zivilgesellschaftlichen Initiativen, die nicht von Rechten gestört wird“, ist seine Erfahrung. Zschoge und andere Betroffene prüfen derzeit ebenfalls juristische Schritte. Sorgen bereitet ihnen, dass einer der mutmaßlichen Drahtzieher für das „Anti-Antifa-Heft“ inzwischen versucht, durch die Gründung von „freien Wählergemeinschaften“ dem drohenden Verbot der NPD und ihrer Jugendorganisation JN zuvorzukommen. Unter dem Deckmantel eines neu gegründeten „Märkischen Heimatschutzes“ wollen sich offenbar in Nordbrandenburg militante Kameradschaften und NPD-Aktivisten zusammenschließen. Auch die scheinbar seriöse Aufmachung des Anti-Antifa-Hefts passt in dieses Konzept. Und sie liegt im Trend. Seit Jahresbeginn häufen sich in Norddeutschland, Berlin und Brandenburg neonazistische Aufrufe, Material über „politische Gegner“ zu sammeln. HEIKE KLEFFNER

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