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Noch eine Galgenfrist für Argentinien

IWF gewährt Zahlungsaufschub. US-Präsident warnt vor Protektionismus. Argentinien ruft Lebensmittelnotstand aus

BUENOS AIRES taz/dpa ■ Der Internationale Währungsfonds (IWF) gewährte der argentinischen Regierung gestern ein Jahr Aufschub bei der Bezahlung eines Kredites in Höhe von 933 Millionen Dollar. Die erste Rate der Schuld wäre gestern fällig geworden. Argentinien hatte kurz vor Weihnachten bekanntgegeben, dass es seine Schulden in Höhe von 155 Milliarden Dollar nicht mehr bezahlen kann. Im Falle kurzfristiger IWF-Kredite kann ein einjähriger Aufschub gegeben werden, wenn die Bedienung der Schuld dem Schuldner große Schwierigkeiten bereitet. Es ist jedoch das erste Mal, dass der IWF einen solchen Aufschub gewährt. Die Lage ist so ernst, dass die Regierung gestern einen Lebensmittelnotstand ausrief. Er soll bis zum Jahresende gelten. Bedürftige Menschen sollen vom Staat mit Nahrung versorgt werden.

Derweil hat US-Präsident George Bush IWF-Hilfe für Argentinien an die Bedingung geknüpft, dass das Land einen „vernünftigen und nachhaltigen Wirtschaftsplan“ vorlegt. Bush warnte die lateinamerikanischen Länder, vom Weg der offenen Märkte abzukommen. Mit Blick auf Argentinien sagte er: „Jene, die schmerzlosen Protektionismus oder Sicherheit durch Dirigismus versprechen, garantieren ihrem Volk eine trostlose und stagnierende Zukunft.“

Die argentinische Regierung hofft auf weitere acht Milliarden Dollar Finanzhilfe vom IWF. Die Gelder werden in dem südamerikanischen Land vor allem dafür benötigt, das Bankensystem zu stabilisieren.

Unterdessen ist Argentiniens Zentralbankchef Roque Maccarone von seinem Amt zurückgetreten. Medienberichten zufolge konnte sich Maccarone mit seiner Forderung nicht durchsetzen, Schulden und Kredite von mehr als 100.000 Dollar zum Marktkurs von etwa 1,70 Peso umzustellen. Stattdessen soll der amtliche Kurs von 1,40 Pesos gelten. Dies bedeutet eine Erleichterung für die Schuldner und eine Belastung für die Banken.

Mittlerweile drohen der argentinischen Regierung nicht nur aus den USA Sammelklagen von Gläubigern, die um die Rückzahlung ihrer Kredite bangen. Auch in Deutschland fordert eine Interessengemeinschaft privater Investoren Umschuldungsverhandlungen, um ihr Kapital zu retten. Die deutschen Anleger besitzen argentinische Wertpapiere in Gesamthöhe von mehreren Milliarden Euro.

INGO MALCHER

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