Schwanger, aber nicht krank

In der ersten Hamburger Kreißsaal-Ambulanz im Albertinen-Krankenhaus müssen werdende Mütter mit Frühgeburts-Risiko nicht im Stationsbett liegen  ■ Von Kaija Kutter

Die letzten Wochen vor der Geburt eines Kindes sind für Paare sehr wichtig, sagt Hebamme Ursula Halliger. „Da wollen sie für sich sein und auch mal kuscheln, und nicht die ganze Zeit unter Beobachtung“ stehen. Doch den so genannten Risikoschwangeren blieb bisher keine andere Wahl. Sie werden getrennt von ihrem Partner in einer Zeit, in der die Beziehung eigentlich zusammenwachsen soll.

Andrea H. (38) zum Beispiel musste vor der Geburt ihrer Tochter Laura sechs Wochen in einer Hamburger Frauenklinik liegen. „Das war für mich eine ganz schöne Tortur.“ Das Zimmer fürs Baby richtete der Partner zu Hause allein ein. Statt entspannter Wochen daheim im Mutterschutz gab's Krankenhaus pur. Das geht auf die Psyche.

Andrea H. hatte eine Zervix-Insuffizienz, so lautet der medizinische Begriff für eine erblich bedingte Schwäche des Gebärmutterhalses, die dazu führen kann, dass sich der Muttermund zu früh öffnet. Die werdende Mutter musste viel liegen. Doch das, so die Hebamme Halliger, „können Frauen auch zu Hause tun, wenn sie gelegentlich bei uns vorbeikommen“.

Ursula Halliger betreut gemeinsam mit Professor Martin Carstensen die erste Hamburger Kreiß-saalambulanz am Albertinen-Krankenhaus. Risikofälle, die andernorts nur stationär behandelt werden, darf das Schnelsener Team ambulant behandeln. „Der Vorteil ist, dass die Frauen die Klinik schon kennen und auch Ängste vor dem Kreißsaal abbauen“, sagt Halliger. Gezielte Terminabsprachen sollen zudem das für Schwangere sehr anstrengende Warten vermeiden.

In der Ambulanz gibt es neben einem gemütlichen Warteraum auch einen gynäkologischen Untersuchungsraum, einen Raum für Ultraschall und einen für Herztönemessung (CTG). In anderen Kliniken, die nachts und am Wochenende auch ambulant behandeln, werden meist die Geräte des Kreißsaals genutzt, was zu sehr langen Wartezeiten führen kann.

Anlass für eine strengere Überwachung der Schwangerschaft können, neben Mehrlingsgeburten, auch Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck sein. Bei ersterer wächst das Kind zu schnell, die Blutzuckerwerte der werdenden Mutter müssen streng überwacht und gegebenenfalls mit diabetischem Essen oder sogar Isulin gesenkt werden. Zu dieser Störung neigen Frauen, die so veranlagt sind, dass sie im Alter Diabetes entwickeln, weil die Schwangerschaft ihren Stoffwechsel stark belastet. Streng kontrolliert und gegebenenfalls mit Medikamenten behandelt werden muss auch Bluthochdruck, der zu einer Plazenta-Verkalkung und dadurch zu Wachstumsstörungen beim Fötus führen kann.

„Wir versuchen, wann immer es geht, ambulant zu behandeln“, erklärt Martin Carstensen. Sofern es medizinisch und sozial zu verantworten sei. „Eine 19-Jährige, die niemanden hat, der sich um sie kümmert, kann man natürlich nicht mit Risiko nach Hause gehen lassen.“ Die meisten wollten jedoch lieber nach Hause, nach dem Motto: ich bin schwanger, aber doch nicht krank.

Die Ende November eröffnete Ambulanz soll natürlich auch Kos-ten sparen und Patienten anwerben. Andere Kliniken behandeln auch ambulant, wollen dafür aber keine offene Werbung machen, weil die Behandlung kaum von den Kassen erstattet wird und das Personal überlastet ist. Voraussetzung für die ambulante Behandlung an einer normalen Klinik ist die Überweisung eines Facharztes und dass sieaußerhalb der Sprechzeiten geschieht.

Die Finanzierung, so gesteht Carstensen, sei auch fürs Albertinen-Krankenhaus „ein Problem“. Er habe jedoch eine Institutsermächtigung für Risikoschwangere und bekomme darüber einen nicht ganz kostendeckenden Betrag von den Kassen erstattet. Als Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten versteht sich das Schnelsener Team nicht.

Interessierte werdende Eltern können auch zu einem Info-Abend vorbei kommen. Kreißsaalambulanz Albertinen, Süntelstraße 11a, 22457 Hamburg; Information und Anmeldung unter Tel.: 55 88 27 77.