: Netz der Widersprüche
■ Linkes auf der Bremer Crossover-Konferenz
Am Wochenende trotteten erstaunlich viele mit Rucksäcken und Schlafsätzen durch das Ostertor: TeilnehmerInnen des Crossover-Kongresses, zu dem antirassistische Gruppen bundesweit nach Bremen eingeladen hatten. „Viele von uns sind lange in politischen Zusammenhängen aktiv und unzufrieden “, begründet Annette Schari von der Crossover-Vorbereitungsgruppe die Motivation, einen solchen Kongress der undogmatischen Linken vorzubereiten. Als Beispiele nannte sie rassistische und sexistische Untertöne, die auch im linken Spektrum an der Tagesordung seien.
Rund 600 Besucher diskutierten diese Widersprüche in zahlreichen, meist überfüllten Workshops. Schnelle Lösungen hatte wohl keiner erwartet – und auch nicht bekommen. Ganz im Gegenteil: Viele der Veranstaltungen trugen zu weiterer Verwirrung bei. Aber das kann ja auch produktiv sein. So stellte eine Gruppe linker Wissenschaftlerinnen die Ergebnisse einer Studie vor, für die sie durch die Greencard angeworbene ausländische Computerspezialisten befragt hatten. In den Interviews stellten sich die Greencardler mehrheitlich als stolze Arbeitsplatzbesitzer dar, die sich sicher sind, auch in Krisensituationen ihren Job behalten zu können. Die oft in antirassistischen Kreisen anzutreffende Opferperspektive versagte bei den „Betroffenen“ völlig, meinten die Forscherinnen.
In anderen Workshops ging es um das Verhältnis von Kolonialismus und Rassismus und um die Frage, ob und wie eine antirassistische Praxis in Deutschland überhaupt möglich ist. Arbeitsgruppen mit größerem Praxisbezug, beispielsweise zu den neuen Sicherheitsgesetzen und den für Anfang Januar geplanten Protesten gegen die Nato-Tagung in München, verzeichneten weit weniger Interesse.
So geriet der Kongress entgegen den Intentionen der Vorbereitungsgruppe ziemlich akademisch. Die Crossover-Leute zogen dennoch ein positives Resümee. Die Zahl der TeilnehmerInnen habe alle Erwartungen übertroffen und die Veranstalter sogar vor Probleme gestellt, sagte Schari.
Hatte man ursprünglich für 150 Interessierte geplant, mußte man neue Räumlichkeiten anmieten, als dann viermal so viele Teilnehmer eintrafen. „Das zeigt, dass das Bedürfnis nach gemeinsamem Austausch gewachsen ist“, meint Schari. Auch Teilnehmer aus Polen, Holland und England hatten den Weg nach Bremen gefunden.
Die Diskussion soll in der nächsten Zeit fortgesetzt werden. Gelegenheit dazu wird es auf einem Nachbereitungstreffen in Berlin sowie auf dem antirassistischen Grenzcamp im Sommer in Thüringen geben.
Peter Nowak
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