„Positionen nicht mehr so sichtbar“

Der Parteilinke und mögliche Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann zur Wahlniederlage Ströbeles und den Folgen für grüne Politik in Berlin. Linke Oppositionsarbeit zwischen Rot-Rot und einem größeren Bürgerblock sehr schwierig

taz: Hat mit der Niederlage von Christian Ströbele das Ende des linken Berliner Landesverbandes begonnen?

Volker Ratzmann: Nein. Mitgliedervollversammlungen haftet der Ruf an, zu spontanen Ergebnissen führen können.

Gleichwohl ist Ströbele nicht über Joschka Fischer, sondern den eigenen Landesverband gestolpert.

Dass die Grünen in Berlin ein monolithischer Block sind, hat niemand angenommen. Es ist uns als Linke im Landesverband nicht gelungen, diejenigen bundespolitischen Fragen und Antworten vorwärts gewandt zu formulieren, für die Ströbele als Vertreter der Linken steht. Fatal ist, dass auf der Bundesebene der Spannungsbogen zwischen den unterschiedlichen Positionen nicht mehr so sichtbar wird. Das hat die Grünen immer ausgemacht.

Kann man mit Christian Ströbele nicht mehr so gut mobilisieren?

Natürlich kann man mit ihm noch sehr gut mobilisieren. Er ist nach wie vor die Symbolfigur für die antimilitaristische und radikaldemokratische Ausrichtung der Partei. Das Ergebnis ist aber auch der neuen Regierungskonstellation in Berlin geschuldet. Werner Schulz hat das mit Erfolg in seiner sehr kämpferischen Rede thematisiert.

Auch ein Hinweis darauf, dass Oppositionsarbeit jetzt besonders schwer geworden ist?

Gar keine Frage. Der SPD-PDS-Koalitionsvertrag besteht zu 90 Prozent aus Vorhaben, die wir auch mitgetragen hätten. Auf der anderen Seite haben wir einen größeren Bürgerblock, mit dem es wenig bis keine Berührungspunkte für eine gemeinsame Oppositionspolitik gibt.

Wie kann denn eine linke Opposition gegenüber Rot-Rot aussehen?

Die Umsetzung des Koalitionsvertrages werden wir forcieren, die fehlenden oder falschen Punkte thematisieren. Die Sachzwänge, die aufgrund der Haushaltslage und ihrer unrealistischen Finanzpolitik entstehen werden, werden den neuen Senat sehr schnell dazu bringen, von den formulierten Zielen wieder abzurücken.

Heißt das, die Grünen übernehmen die Rolle des Populisten, dem die Forderung wichtiger ist als die Finanzierung?

Nein. Die Punkte, die wir mitgetragen hätten, sind bei einer soliden Finanzpolitik, bei der Sparen nicht zum Selbstzweck erhoben wird, auch finanzierbar. Falsche Entscheidungen wie die Schließung des UKBF werden wir angreifen. Es geht nicht um Populismus, sondern darum, den Dialog in der Stadt zu führen, den kritischen Diskurs.

Werden Sie Ende des Monats für den Fraktionsvorsitz kandidieren?

Ich werde Ende des Monats sicherlich für den Fraktionsvorstand kandidieren. Ob ich für den Fraktionsvorsitz kandidiere, weiß ich noch nicht. Das wird auch davon abhängen, wie Wolfgang Wieland sich entscheidet. Es ist aber klar, dass bei uns disktutiert wird, ob und wie die personelle Erneuerung sichtbar gemacht weden muss.

Ist eine Kampfkandidatur völlig ausgeschlossen?

Gegen Wolfgang Wieland: Ja.

INTERVIEW: UWE RADA