piwik no script img

Panzer in Ramallah

Israels Armee besetzt erneut Teile der Stadt und sprengt Radiosender. Tansim-Brigaden werden für Anschläge verantwortlich gemacht

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Marwan Barghouti gilt seit dem Wochenende als Israels schlimmster Feind. Der Führer der militanten Tansim, die der Fatah von Palästinenserpräsident Jassir Arafat nahe steht, wird unmittelbar für die acht israelischen Toten der vergangenen Woche verantwortlich gemacht. Offiziell hatte die ebenfalls der Fatah nahe stehende Widerstandsgruppe „Al-Aksa-Brigaden“ sich zu den Anschlägen bekannt. Barghouti ist Anhänger einer Zwei-Staaten-Lösung. Er hat zwar stets den Widerstand gegen die Besatzung im Westjordanland und Gaza-Streifen gutgeheißen, Anschläge in Israel jedoch verurteilt.

In der Stadt Ramallah im Westjordanland lieferten sich israelische Soldaten und palästinensischer Demonstranten nach der Zerstörung des dortigen Radiosenders wiederholt Gefechte. Über 20 Menschen trugen dabei Verletzungen davon, darunter zwei Kinder. Mit Kampffliegern und Panzern rückte die Armee am Wochenende bis in die Stadtmitte vor. Militärische Sondereinheiten hatten in der Nacht zu Samstag das Rundfunkgebäude der „Stimme Palästinas“ besetzt, Sprengsätze angebracht und es bis auf das unterste Geschoss zerstört. Mitarbeiter konnten anschließend nur noch Archivbänder und Aufnahmegeräte retten.

„Es ist sehr seltsam, sehen zu müssen, wie die gesamte Welt die von Scharons Regierung verfolgte Eskalation ignoriert“, schrieb die führungsnahe palästinensische Tageszeitung Al Hayat al Jadida am Sonntag. Noch seltsamer sei jedoch die Indifferenz, mit der die arabische Welt reagiere. Sie hülle sich in Schweigen, „während das wichtigste Symbol nationaler Souveränität fällt.“ Das sei „Ekel erregend und erbarmungswürdig“.

Radwan Abu Ayash, Chef des palästinensischen Rundfunksenders, sprach von einem Angriff gegen alle „internationalen Werte, die freie Meinungsäußerung garantieren sollen“. Dieses Verbrechen sei „Teil einer ganzen Serie israelischer Maßnahmen gegen Symbole der palästinensischen Autonomiebehörde“. Mitarbeiter des Buntstift, einer früheren Stiftung der Grünen, hatten unmittelbar nach Einzug der Autonomiebehörde in Jericho 1994 Kameraleute und Journalisten der Anstalt angelernt. Die Sendungen werden unterdessen auf verschiedenen Privatwellen fortgesetzt.

Kritik an der andauernden Aggression spiegelt sich verstärkt in den israelischen Medien wider. So warnt der Journalisten Ran Edlist in der Tageszeitung Jediot Achronot: „Die Zerstörung der Infrastruktur der palästinensischen Behörden wird zur Neubildung einer Infrastruktur eines terroristischen Untergrunds führen.“ Ohne Zweifel verfolge Scharon ein „Ende“ von Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Die Internet-Ausgabe der Tageszeitung, „ynet“, berichtete am Sonntag über einen möglichen Rücktritt des Palästinenserpräsidenten. Sprechen der Autonomiebehörde dementierten den Bericht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen