: Gender-Troubles im Mainstream-Kino
■ Auf dem Filmsymposium „Kino und Identität“ im Kino 46 ging es auch um die Identitäten der Vortragenden zwischen intellektuellem Genuss und eruptiver Lust am Kino – ganz abgesehen von Sprachdifferenzen
Zwischen Gender und Genre kann man im Spanischen kaum unterscheiden, und so kam es, dass Joseph Lluis Gómez in seinem Vortrag über das Kino von Pedro Almodovar das Eine meinte, aber das Andere übersetzt wurde. Es dauerte eine ganze Weile, bis dieses Missverständnis erkannt und behoben wurde, und auch ein weiterer Vortragender schien ähnliche Probleme zu haben, die allerdings nicht sprachlich sondern eher individuell begründet sind.
Der Filmkritiker, ehemalige Staatsanwalt und bunte Hund des unabhängigen deutschen Kinos, Dietrich Kuhlbrodt, sollte über „Geschlechterrollen in deutschen Beziehungskomödien der 90er Jahre“ reden. Tat er aber nicht, denn Filme wie „Der bewegte Mann“ gefielen ihm heute gar nicht mehr, und so wollte er möglichst nicht darüber nachdenken. Dies gestand er mit einer fast schon bewunderungswerten Frechheit gleich zum Beginn seines Vortrags: war also nichts mit Genderstudies zum deutschen Humor, statt dessen verkündete Kuhlbrodt nur kurz, ihm fehle der Subtext bei diesen Filmen, und dann zitierte er recht wirr und beliebig einige von seinen Filmkritiken zu alten und neueren Filmen, deren Subtext ihm besser gefiel. Ein Totalausfall!
Ähnlich großen Widerspruch, allerdings auf etwas höherem akademischem Niveau, erntete der Filmwissenschaftler Thomas Koebner mit seinem Vortrag über „Cross-Dressing im Gegenwartskino“. Bei seinen Analysen von Filmen wie „The Crying Game“ oder „Tootsie“ ging er sehr ins Detail, fast artete sein Vortrag in Erbsenzählerei aus, vor allen Dingen aber argumentierte er ausschließlich werkimmanent, ignorierte die (in diesem Symposium eindeutig vorherrschende) Denkschule der Gender-Studies völlig und bügelte sie bei der nachfolgenden Diskussion auch recht rabiat und ohne Begründung mit einem Satz herunter.
Dort wurde aber immerhin deutlich, dass er es sich mit seinem Vortrag eindeutig zu leicht gemacht hatte, denn statt seiner langen Ausführungen zu alten Hosenrollenfilmen wie „Marocco“ mit Marlene Dietrich hätte er sich unbedingt mit Kathryn Bigelows „Blue Steel“ beschäftigen müssen, der wie maßgeschneidert für sein Thema ist, und den er offensichtlich völlig übersehen hatte.
Mit „Strange Days“ wurde dafür ein anderer Film von Kathlyn Bigelow sehr ausführlich vorgestellt und auf seinen Blick auf die Geschlechter hin abgeklopft. Eva Warth stellte ihn zusammen mit Cronenbergs „M. Butterfly“ in ihrem Vortrag über „Gender und Blickstruktur im Kino der 90er Jahre“ als ein Beispiel für eine neue Blickrichtung der Kamera vor, angesichts der die Thesen von feministischen Filmtheoretikerinnen über den „männlichen Blick der Kamera“ aus den 70er Jahren überholt sind. Der einzige Schwachpunkt in ihrer sehr fundiert vorgetragenen Argumentation ist, dass Bigelow und Cronenberg intellektuelles Kino machen, ihre Filme genau im Hinblick auf diese Schule der Filmtheorie bewusst als Gegenentwurf gemacht haben, Eva Warth also jetzt nur die Filmtheorie aus ihnen herausliest, die beide vorher hineingepackt haben.
Am spannendsten und wohl auch ergiebigsten waren die Vorträge von zwei Referenten, die zum ersten Mal ihre Papiere in Bremen vorstellten. Der Brite Richard Dyer untersuchte im nicht nur rhetorisch wohl besten Vortrag des Symposiums die Zusammenhänge zwischen „White Masculinity and Serial Killing“ anhand der Konventionen des amerikanischen Thrillers. Er entwarf eine Typologie des Serienkillers im Film als weisser Mann, der entweder das Idealbild (überlegen, rational, sauber) als „cold genius of death“ ins Extrem treibt, oder das Scheitern an diesen Rollenanforderungen als „White Trash“ verkörpert.
Die Bedeutung der heute so beliebten Filme über Serien-Killer liegt für ihn in der Identitätskrise des Mannes. Nicht nur in der Zuordnung eines Filmes von David Fincher ergänzte sich sein Vortrag mit dem von Elisabeth Bronfen (hier „Seven“, da „Fight Club“). Diese untersucht in der von ihr perfektionierten Methode des „cross-mappings“, (also des Übereinanderlegens von verschiedenen Texten, um Parallelen zu entdecken), eine Art von starker Frau, die sie sowohl in den romantischen Schauergeschichten von E.T.A. Hoffmann als auch in Filmen wie „Eyes Wide Shut“ und eben „Fight Club“ findet. Diese klarsichtige „Frau, die eigentlich viel vernünftiger ist“, als es die Konventionen der Fiktion erlauben, beschrieb Frau Bronsen sehr scharfsinnig und mit einem genauen Auge auf den jeweiligen Text, sei er Film, Gruselmärchen oder postfreudianische Theorie.
Natürlich kann man gegen die Methode einwenden, dass mit einer genügend großen Anzahl von „maps“ und viel detektivischem Gespür Parallelen zwischen so ziemlich Allem gefunden werden können, aber Bronfens Vortrag war auf jeden Fall ein intellektueller Genuss. Und man spürte bei ihr auch immer eine eruptive Lust am Kino. Wilfried Hippen
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