: Zehn Gründe für Frauenhandel
■ Zwangsprostitution: Wann kommt eine unabhängige Beratungsstelle? / Die Grünen wollen endlich Klarheit / Die Polizei kennt 250 „Modellwohnungen“
„Eine gute Frau macht sich im ersten Monat bezahlt. Ein guter Grund für Frauenhandel.“ Diese Logik von Menschenhändlern – und ihre Folgen für die Opfer – ist Thema einer Ausstellung, die gestern in der Bremer Bürgerschaft eröffnet wurde. „Bremen ist inzwischen zur Drehscheibe des Frauenhandels geworden“, begründet die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Doris Hoch, warum die Fraktion der Grünen die Ausstellung nach Bremen geholt hat. Und weil jetzt politisches Handeln nötig sei, habe man sich für die Bürgerschaft als Ausstellungsort entschieden. Auf dem Papier gebe es Rechte für die verschleppten Frauen zwar schon länger. „Aber es hapert an der Durchsetzung.“
Damit zielte Hoch darauf ab, dass es in Bremen – anders als in den umliegenden Bundesländern – keine unabhängige Beratungsstelle für Zwangsprostituierte gibt. Es mangele an der Finanzierung – obwohl sich der „Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau“ zuletzt im Herbst einstimmig für eine solche Beratungsstelle ausgesprochen habe. Dennoch scheiterte in den vergangenen Haushaltsberatungen der bündnisgrüne Antrag, für die von allen ParteienvertreterInnen gewollte Einrichtung 125.000 Euro pro Jahr im Etat bereit zu stellen.
Wie ein solches Beratungsangebot aussehen könnte, das berichtete gestern Ulrike Gatzke von der Hamburger Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel (Koofra). In den ersten drei Jahren habe ihre Koordinierungsstelle rund 130 Frauen betreut, berichtete Gatzke. Wie viele Frauen in Deutschland tatsächlich Opfer von Menschenhandel geworden sind, sei unklar. „Frauenhandel ist ein sogenanntes ,Kontrolldelikt'. Man stößt nur bei Razzien darauf. Wenn man nicht danach sucht, wird man Frauenhandel auch kaum entdecken.“ In jedem Fall müsse eine Beratungsstelle unabhängig finanziert werden, so Gatzke. Die Überlegung, „Gewinne“ bei verurteilten Frauenhändlern abzuschöpfen und für die Einrichtung zu nutzen, lehnte sie ab. „Eine solche Stelle muss unabhängig von Erfolgen der Polizei arbeiten können.“ Darin stimmte sie mit den Grünen, aber auch mit anwesenden Vertretern der Innenbehörde überein.
„Dass eine unabhängige Beratungsstelle sein muss, ist unstrittig“, so Michael Steines vom Referat für Verbrechensbekämpfung im Innenressort. Ex-Kripo-Beamter Mattis Roelle, heute ebenfalls im Inneressort, ergänzt: die Polizei wisse von 250 sogenannten „Modellwohnungen“. Um gegen Frauenhandel und Zwangsprostitution verstärkt vorgehen zu können, verdoppelt das Innenressort derzeit die Belegschaft im zuständigen Fachkommissariat – von sechs auf zwölf MitarbeiterInnen. Auch die Polizei würde gerne eine Anlaufstelle sehen, die die psycho-soziale Betreuung der Frauen sicher stelle. Ulrike Gatzke bestätigte, dass die Betreuung von geschädigten Frauen bei der Polizei nicht richtig angesiedelt sei.
Ghislaine Valter, die ehrenamtlich Häftlinge im Abschiebegefängnis betreut, berichtete, dass die Frauen, die sie dort antrifft, meist vollkommen mittellos seien, da all ihre Habe von der Staatsanwaltschaft bei Razzien beschlagnahmt worden sei. Da die Frauen teilweise innerhalb von 48 Stunden abgeschoben würden, bliebe kaum Zeit, ihnen auch nur ihre Habseligkeiten wiederzubeschaffen. Außerdem kritisierte sie scharf, dass im Abschiebegewahrsam in der Vahr keine Informationen in polnischer oder russischer Sprache auslägen. So erfahren die Frauen nichts von möglichen Hilfestellungen, die sie bekommen könnten. Valter sagte, sie beschaffe den betroffenen Frauen eine Rechtsberatung, wenn die Zeit dafür reiche. Unterstützung, etwa vom Amt für soziale Dienste, bekommt Valter bei ihrer Arbeit nicht.
Für die Bürgerschaftssitzung im Monat Februar will die Fraktion der Grünen dafür sorgen, dass das Thema einer unabhängigen Beratungsstelle und ihrer Finanzierung erneut auf die Tagesordnung kommt.
Ulrike Bendrat
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen