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Milliardenklage gegen Microsoft

AOL verklagt Microsoft: Der Online-Riese will vom Software-Herrscher Schadenersatz wegen des Niedergangs des Internet-Browsers Netscape. Der Wert von Netscape soll durch Microsofts Monopolpraktiken stark gemindert worden sein

von REINER METZGER

Dem profitabelsten Softwarekonzern der Welt, Microsoft, droht ein neues Mammutverfahren vor Gericht. In einer am Dienstag in Washington veröffentlichten Erklärung gab die Firma Netscape bekannt, dass sie die Firma von Bill Gates wegen „wettbewerbsschädigenden Verhaltens“ beim Vertrieb seines Internet-Browsers Explorer verklagt hat. Die Klage sei eine „logische Fortführung“ des Kartellverfahrens der US-Regierung und diverser Bundesstaaten.

Netscape wurde 1999 für über vier Milliarden Dollar von weltgrößten Online-Dienst America Online (AOL) aufgekauft. Inzwischen hat AOL mit Time Warner den größten Medienkonzern der Welt geformt. Der sogenannte Browser von Netscape war die erste massenhaft benutzte Software, die Seiten im World Wide Web sichtbar machte. Ihr Marktanteil lag 1995 bei über 70 Prozent. Als Microsoft jedoch sein Konkurrenzprodukt Internet Explorer gratis seinem beherrschenden Beitriebssystem Windows beifügte, schrumpfte der Marktanteil des Netscape Browsers stetig. Heute hat Netscape noch einen Anteil von etwa 20 Prozent – vor allem, weil es gratis der AOL-Software beigefügt ist – , während der Explorer praktisch auf den restlichen PCs läuft.

AOL will nun Schadenersatz von Microsoft: für entgangene Profite, Werbeeinnahmen und Lizenzeinnahmen. Die Klage baut auf dem Kartellverfahren der Regierung auf. Dort war in den letzten Jahren mit großem Aufwand ermittelt und schließlich festgestellt worden, dass Microsoft sein Quasimonopol bei Computerbetriebssystemen missbraucht hat. AOL muss nun detailiert beweisen, dass dieser Monopolmissbrauch auch für Netscape zutrifft.

„Es wird ein Kampf über viele Jahre, der Dutzende Millionen Dollar kostet“, meint der Rechtsprofessor Robert Lande von der University of Baltimore zu CNN. „Wenn Sie AOL wären, würden sie Microsoft den Krieg erklären? Offensichtlich will AOL genau das“. Die Erfolgschancen sind angesichts der bekannt gut bestückten Rechtsabteilung bei Microsoft unklar.

Ein paar Millionen Dollar Gerichtskosten dürften AOL Time Warner allerdings nicht stören. Es winkt laut US-Regeln der dreifache Ersatz des nachgewiesenen Schadens – nach Schätzungen von Rechtsexperten kann das in die Milliarden Dollar gehen. Selbst wenn Microsoft verliert, ist das kein Beinbruch: allein im letzten Quartal machte der Konzern einen Betriebsgewinn von 2,84 Milliarden Dollar. Davon legte er 660 Millionen für Gerichtskosten zurück. Microsoft zeigte sich gestern „enttäuscht“ von der Klage. AOL habe Netscape teuer gekauft „und den Besitz im Grunde verschwendet“, so die Firma, „und nun wollen sie uns den Schaden ihres Missmanagments in die Schuhe schieben.“

Im Kartellverfahren hatte sich Microsoft mit der Bundesregierung und neun klagenden Bundesstaaten auf einen für die Firma vorteilhaften Vergleich geeinigt (taz vom 2.11.1001). Neun weitere Bundesstaaten halten allerdings ihre Klage aufrecht.

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