Raffinierte Oberflächenreize

■ Opernpremiere: Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“

Was waren das für Ensembles in den 80er Jahren: das unter Fritz Busch oder jenes unter dem jungen Herbert von Karajan, oder Wolfgang Sawallischs Münchner Ensemble. Heute sind solch exquisite und dabei mit jeder Regung und jedem Ton aufeinander eingespielte Ensembles nirgends mehr zu erleben. Und was waren das für Zeiten, als der Schauspieler Ernst T. Richter in Ödön von Horvaths Geschichten aus dem Wienerwald in einer sehr subtilen und pychologisch genauen Inszenierung einen derart nachdrücklich-hintersinnigen Oskar spielte, dass dessen letzter Satz „Du wirst meiner Liebe nicht entgehen“ dem Verfasser dieser Zeilen noch heute in Erinnerung ist.

Der Schauspieler Richter hat inzwischen als Opernregisseur Karriere gemacht. In Hamburg nun will er eines der interessantesten Ensemblestücke des frühen 20. Jahrhunderts auf die Bühne bringen: Sergej Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen. Das Stück hat sehr viele raffinierte und kunstfertig gearbeitete Oberflächenreize: Arietten, Instrumentationskunststückchen, rhythmisch höchst effektvoll gesetzte Passagen. Vor allem aber ist das Stück gekennzeichnet durch brillant komponierte Ensembles in teilweise aberwitzigen Tempi.

Und dies hat die Hamburger Operndirektion veranlasst, das Stück bewusst als Ensemblestück spielen zu lassen. Tatsächlich funktioniert das überdrehte Bühnengeschehen um den nicht mehr lachen könnenden Prinzen nur bei äußers-ter Präzision im Zusammenspiel. Wenn man auf die Besetzungsliste schaut und Namen wie Hellen Kwon, Renate Spingler, Jürgen Sacher oder Peter Galliard liest, dann darf man durchaus Positives für diese Aufführung erwarten.

Prokofjews Oper basiert auf einem Szenario Carlo Gozzis, einem späten Vertreter der Commedia dell'Arte. Da wird in einem längeren Vorspiel szenisch diskutiert, welche Art von Theater die richtige ist, um dann die Liebe zu den drei Orangen als das ideale, alles vereinende Stück anzukündigen. Entsprechend bunt ist dann auch das Geschehen.

Prokofjew hat dazu eine Musik geschrieben, bei der jeder Ton nach szenischer Umsetzung ruft. Die Handlung wird nicht erzählt, sondern es wird alles auf der Bühne gespielt und in der Musik verdichtet. Auf diese spezielle Weise stellt Prokofjews Stück ein kleines Meis-terwerk dar, das es in Hamburg unter dem Wiener Dirigenten Eschwé zu entdecken gilt. Es ist fast anzunehmen, dass das Stück der Liebe des Hamburger Publikums nicht wird entgehen können. Und vielleicht wird man in Folge davon dann auch einmal wieder einen Mozart an der Hamburger Oper als Ensemblestück erleben können.

Reinald Hanke

Sonntag, 18 Uhr, Staatsoper